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Herr Dr. Otto Peschl

Bibliothekar von 1956 bis 1990 an der UB Wien

Interview mit Dr. Otto Peschl am 27.6.2005

Wie sind Sie zur Aufarbeitung der Sammlung Tanzenberg gekommen?
Ich bin Slawist und begann 1956 als Vertragsangestellter an der Universitätsbibliothek. Während meiner Ausbildung habe ich als Praktikant in den verschieden Abteilungen gearbeitet und ich wurde auch Personen zugeteilt. Dadurch lernte ich einige Bereiche kennen.
Die Auszubildenden, aber auch Akademiker, hatten die Aufgabe die Sammlung Tanzenberg aufzuarbeiten.

Wurde Ihnen etwas über die Sammlung Tanzenberg erzählt?
Woher die Sammlung Tanzenberg kommt weiß ich nicht genau.
Tanzenberg ist ein Schloss oder Stift ... und war eine NAPOLA, [eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt], aber genaures kann ich Ihnen nicht sagen.
In diesem Schloss in Tanzenberg wurden die Bücher gelagert, die beschlagnahmt wurden ... auch Eigentum von Juden und anderen Verfolgten.
Nach Kriegsende wurde das ganze Material nach Wien gebracht und sollte aufgearbeitet werden. Es wurde von einer Rückstellung gesprochen, aber das war schwierig. Die Eigentümer ließen sich kaum feststellen - es sei denn es war irgendein Vermerk oder ein Exlibris bzw. ähnliches vorhanden.
Ich kann darüber nichts sagen, was gemacht wurde, wenn ein Besitzhinweis vorhanden war.
Unsere Aufgabe war, jene Bücher auszuwählen die wir brauchen konnten.
Es gab eine Absprache mit der Universitätsbibliothek in Jerusalem, dass sie einen Teil erhalten sollten. Ein Bibliothekar namens Shunami war einige Male in Wien und hat die Bücher durchgesehen.

Wissen Sie nach welchen Kriterien die Bücher ausgewählt wurden?
Nein. Die Bücher wurden in einem Kellermagazin gelagert. Die Bücher wurden so gelagert wie man sie von einem LKW abgekippt hatte - ein Berg. Alles war durcheinander.
Ich glaube die Teilung war 1/3 zu 2/3 oder halb- halb.
Man hat die Bücher in einem leeren Regal zusammengestellt ... so konnte man sie zuordnen.
Unsere Aufgabe war das Nachschlagen der "Sammlung Tanzenberg"

Wie ist man bei der Bearbeitung der Bücher vorgegangen?
Dieses war sehr schwierig. Man hat in diesem Bücherberg gewühlt. Es ist hoffnungslos gewesen, weil wir -zunächst- nicht beurteilen konnten ob die mehrbändigen Werke vollständig vorhanden waren. Es wurde grob aufgeteilt und jene Werke die bei uns nicht vorhanden waren, wurden von uns übernommen. Sie wurden inventarisiert und mit einem Herkunftsvermerk auf der Rückseite des Titelblattes versehen. Möglicherweise mit dem Stempel oder auch mit Bleistift.

Waren die Bücher in Schachteln verpackt?
Nein. Die Bücher waren unverpackt.
Unsere Aufgabe war es diese Bücher zu sichten, nachzuschlagen etc. Diese Arbeit wurde hauptsächlich am Abend während des Katalogsaaldienstes erledigt.
Dort konnten wir nachsehen ob das Buch an der Universitätsbibliothek vorhanden war. Die meisten Werke sind vor 1932 erschienen. Diese Bücher mussten wir im alten handgeschriebenen Katalog nachschlagen. Bücher die später erschienen sind wurden im Zettelkatalog verzeichnet. Und so wurden die Bücher getrennt.
Ich weiß nicht wie das Abkommen mit Israel gelautet hat und wer welchen Bestand erhielt. Wertvolle Bücher haben wir nicht gefunden, obwohl sicher rare Bücher auch dabei waren. Für uns waren alle Bücher von Interesse die nicht an der Universitätsbibliothek vorhanden waren. Daher mussten wir auch zusätzlich im Magazin nachsehen.

Wurde "Sammlung Tanzenberg" an der Universitätsbibliothek gestempelt?
Ja, es ist möglich und wahrscheinlich. Ich habe nicht gestempelt, weil ich die Bücher nicht inventarisiert habe. Es gab eine eigene Gruppe von Akademiker, welche die "Abschreibung" vorgenommen haben. Das beinhaltet die Inventarisierung und die Katalogisierung der Werke die vor 1932 erschienen sind.

Wie erfolgte die Inventarisierung der Bücher?
Das Bücherinventar erfolgte nach Numerus currens und wurde handschriftlich eingetragen.
Es wurden Titelkopien angefertigt -nach der alten Form- diese wurden von einem Bibliothekar mit einer schönen Handschrift in den Bandkatalog übertragen. Meistens auf der Rückseite, wenn die Vorderseite schon beschrieben war, also bei den Ergänzungen hinten. Diese Titelkopien wurden danach eingeordnet.
Die Bücher vor 1932 wurden nach einer anderen Beschreibvorschrift vereinnahmt, als die anderen Werke, die nach den "Preußischen Instruktionen" katalogisiert wurden. Es wurde damals bogenweise aufgeteilt. Einen Teil wurde irgendeiner Abschreibung zugeteilt, die zuerst eine Inventarnummer vergaben und dann katalogisiert haben. Sonst waren die Bögen bei den Referenten. Diese hatten einen oder zwei Bögen und die Bücher wurden nach Sachgebiet an die Referenten verteilt.

Wie lange hat die Bearbeitung der Sammlung Tanzenberg gedauert?
Das kann ich nicht genau sagen, weil ich nicht ständig mit der Bearbeitung Tanzenberg beschäftigt war.

Können Sie uns sagen wann die Teilung stattgefunden hat?
Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, das muss Ende der 50iger Jahren gewesen sein. Es waren eine Menge Bücher und ich glaube, die Bearbeitung wurde nicht so schnell abgeschlossen. Da kaum slawische Werke dabei waren, habe ich mich nicht weiter damit befasst.
Es gab noch eine zweite Sammlung, die viel interessanter und wichtiger war.
Es war die Sammlung Erzherzog Rainer. Ich glaube, wir haben sie von der Nationalbibliothek übernommen. Diese Sammlung wurde nach dem Krieg auch nachgeschlagen.

Gab es vorwiegend deutschsprachige Bücher bzw. hebräische Bücher oder auch Judaica?
Es gab deutschsprachige, französische, englische und andere Werke.
Judaica gab es kaum. Was mit diesen Büchern geschehen ist, weiß ich nicht, vielleicht hat die Nationalbibliothek etwas erhalten. Diese hatte sicher Spezialtisten dafür. Wir hatten nie einen Judaisten.

Wurde Ihnen erklärt was Sie hier machen, als Sie das erst Mal mit der "Sammlung Tanzenberg" konfrontiert wurden?
Es wurde nicht viel erklärt Vielleicht war es Absicht, dass die Geschichte nicht aufgerührt oder weitergegeben wurde.

Wissen Sie welche Signatur vergeben wurde?
Grundsätzlich Numerus currens. Man kann das auch über das Inventarverzeichnis verfolgen ... Einzelwerke erhielten 800.000ter Nummern und Reihen wurden mit 700.000ter Nummern versehen. Das galt auch für andere Werke. Ob die Signatur bis zu 1 Million gegangen ist kann ich nicht sagen.

Wurden Kriegsverluste durch Tanzenberg-Bücher ersetzt?
Ja, aber es mussten Auflage, Erscheinungsjahr usw. identisch sein.
Die Verluste wurden festgehalten. Es wurde mit Bleistift Verlust 19 ... eingetragen. Ich glaube ersetzte Bücher erhielten keine eigene Signatur.

Wurden die Bücher als 2.Exemplar gekennzeichnet?
Es wurde im Buch vermerkt. Die Provenienz muss im Buch stehen, aber diese Arbeit habe ich nicht gemacht.

Welchen Vermerk gab es im Verlustkatalog?
Es müsste in jedem Buch ersetztes Exemplar stehen, aber ich weiß nicht wie es gehandhabt wurde.

Kann es sein, dass die Karte im Verlustkatalog gezogen wurde?
Das weiß ich nicht.

Wurde die "Sammlung Tanzenberg" als Besitz der Universitätsbibliothek betrachtet?
Ich weiß nicht, ob es einen konkreten Auftrag gab. Eigentlich müsste es Hinweise geben. Vielleicht gibt es alte Jahresberichte wo Sie weitere Informationen erhalten.

Kennen Sie das Zuwachsbuch der Universitätsbibliothek?
Dieses wurde nach Referaten aufgeteilt. Die Referenten mussten in einem Zugangsverzeichnis, handschriftlich oder maschinenschriftlich, ihre Eintragungen machen. Sie bekamen Einzelbögen und trugen dort die Bücher ein. Entweder wie sie kamen oder wenn es ein großes Referat war, dann wurde sie ein wenig systematisch gegliedert. Am Ende des Jahres wurde eine Statistik gemacht. Das heißt: wie viele Bände, Titeln, Herkunftsländer usw. sind vorhanden. All dieses musste genau gemacht werden. Die Einzelbögen wurden dann zusammengebunden und so entstanden die Zuwachsverzeichnisse
Im Zuwachsverzeichnis wurde der Kauf, Tausch, Geschenk und Pflicht abgekürzt angegeben. Woher das Geschenk kam war uninteressant. Geschenke waren all jene Bücher die der Bibliothek auf irgendeiner Weise zugeflossen sind.

Wurden Bücher, welche von der Universitätsbibliothek nicht benötigt wurden an Institute abgegeben?
Kann schon sein, aber ich weiß nicht wie.

Wurden diese auch gestempelt oder die Provenienzforschung gemacht?
Das kann ich nicht sagen. Ich halte es für möglich, dass die Bücher vielleicht im Institut gestempelt wurden.

Wann erfolgte der Eintrag, von woher das Buch kam?
Bei der Inventarisierung. Man hat inventarisiert und gestempelt. Der Stempel sagt nur aus, dass es ein Buch aus dieser Sammlung ist, welches inventarisiert wurde.

Es gibt auch einen viereckigen Tanzenberg-Stempel, kennen Sie diesen?
Nein, an diesen Stempel kann ich mich nicht erinnern.

Wissen Sie was mit dem Stempel geschah?
Der Stempel wurde in unserem Auftrag hergestellt, aber was damit geschah weiß ich nicht.

Kennen Sie den Stempel "Alter Rest"?
Das waren Bücher, wo man nicht wusste woher sie sind. Diese mussten auch erledigt werden. Tanzenberg-Bücher waren keine dabei.