Japanische Puppen

Japanische Puppen

Japanische Puppen der Wiener Weltausstellung 1873

Aus der Japanologischen Sammlung des Instituts für Ostasienwissenschaften


Die japanischen Puppen stammen von der Wiener Weltausstellung 1873, bei der sich das moderne Japan erstmals in größerem Rahmen dem Westen präsentierte. Die Puppen sind über das Handelsmuseum in den Besitz der Abteilung für Japanologie am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Wien gelangt und zählen zu den kostbarsten Stücken der japanologischen Realiensammlung.

Mit ihren fein gestalteten, lebhaften Gesichtszügen und ihrer sorgfältig bis ins kleinste Detail realitätsgetreu gearbeiteten traditionellen Kleidung stellen sie ein Spiegelbild der Gesellschaft der Edo-Zeit (1600−1868) dar, die nur fünf Jahre vor der Weltausstellung in Wien zu Ende gegangen war und zu diesem Zeitpunkt bereits im Verschwinden begriffen war. Gerade die Männer der Oberschicht hatten nämlich bereits kurz nach der Meiji-Restauration im Jahr 1868 begonnen, westliche Kleidung zu tragen und die traditionelle Frisur, bei denen der obere Teil des Kopfes rasiert und das restliche Haar zu einem Knoten zusammengebunden war, aufzugeben.

Die beiden dargestellten Puppen sind Teil einer Vierergruppe, die die vier Stände nach den aus China übernommenen konfuzianischen Idealen des Tokugawa-Shogunats darstellen. An der Spitze der Sozialpyramide stand der herrschende Samuraistand. An zweiter Stelle folgte der Bauernstand, der für die Ernährung der gesamten Bevölkerung sorgte. Ihm folgte der Handwerkerstand, der ebenfalls zu den produktiven Ständen zählte. Der Kaufmannsstand galt als unproduktiv und stand deshalb am unteren Ende des Sozialsystems. Dennoch entwickelte sich dieser Stand im Laufe der Edo-Zeit zum wohlhabendsten und viele Händler übertrafen die teils verarmten Samurai bei weitem an Reichtum.

Die beiden dargestellten Puppen repräsentieren den Handwerker- und Händlerstand. Obwohl die deutschen Aufschriften beide Puppen als „Händler“ ausweisen, spricht bei der einfacher gekleideten linken Figur mit aufgeschürztem Kimono und der eng anliegenden Arbeithose (momohiki), die größere Bewegungsfreiheit boten, alles dafür, dass es sich um einen Handwerker handelt. In der rechten Hand dürfte er ursprünglich ein Werkzeug gehalten haben, das jedoch verloren gegangen ist.

Drei weitere Puppen der Sammlung repräsentieren Personen, die sich außerhalb dieses Ständesystems befanden: Es handelt sich dabei um einen kaiserlichen Hofadeligen, einen buddhistischen Priester und eine Kurtisane in prächtiger Robe mit ihrem Markenzeichen des vorne gebundenen obi, die in der deutschen Beschriftung fälschlicherweise als Samuraifrau in Gala bezeichnet wird.

Alle Puppen der Wiener Weltausstellung aus der japanologischen Sammlung sind bis März 2010 als Leihgaben in der Ausstellung „Made in Japan“ anlässlich des 140-jährigen Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Japan im Völkerkundemuseum ausgestellt und öffentlich zugänglich.

Text: Mag. Dr. Roland Domenig und Mag. Renate Noda, Foto: Christian Mendez