Xylothek

Xylothek

Sammlung brasilianischer Hölzer in Form von Büchern, 1. Hälfte 19. Jhdt.
Holz geschnitzt, mit Goldlack verziert, Glas, Metall
Maße: B 69 x H 91 x T 10 cm
Aus der Historischen Sammlung des Fakultätszentrums für Biodiversität


Schon seit sehr langer Zeit wurde am Botanischen Garten der Universität Wien (später: Institut Botanik, heute: Fakultätszentrum Biodiversität) eine Sammlung von ursprünglich 312 Holzstücken in einem flachen Holzkasten mit verglastem Deckel aufbewahrt, der 3 x 8 Fächer aufweist. In jedem dieser Fächer haben 13 Holzstücke in der Größe von etwa 3,5 x 9,6 cm Platz. Sie sind in Buchform gehalten, wobei die Bünde erhaben herausgearbeitet und Ober-, Unter- und Vorderschnitt als Hohlschnitte ausgeführt sind. Alle Schnitte des „Buchblocks“ sind mit hellbraunen dreieckigen Verzierungen auf Goldlackgrund versehen. Die Buchrücken weisen ebenfalls Goldlack-Verzierungen auf und tragen einen "Code", der aus dem Anfangsbuchstaben des ersten Teils einer meist zweiteiligen brasilianischen Bezeichnung des Holzes und einer Zahl zwischen 1 und 311 besteht (Holz Nr. 312 ging verloren). Die beiden Buchdeckel sind parallel geschliffen, der vordere Deckel und der Rücken wurden mit Klarlack überzogen, wobei ersterer auch die brasilianische Benennung des Holzes, ebenfalls in Goldlack, in einer Umrahmung trägt. Der hintere Buchdeckel weist stets einen Trockenschliff des jeweiligen Holzes auf. Das Behältnis der Hölzer ist schlicht, aber sorgfältig gearbeitet und erlaubt durch seine Verglasung sowohl einen guten Schutz als auch einen guten Einblick auf die Rücken der einzelnen Probestücke.

Auch nur einigermaßen verlässliche Unterlagen, wann und wie diese Holzsammlung in den Besitz des Botanischen Gartens kam, konnten bisher nicht aufgefunden werden. Gesichert erscheint hingegen, dass diese Holzsammlung zu den Beständen des 1844 erbauten sogenannten "Botanischen Museums" (1945 durch Kriegshandlungen schwer beschädigt, 1951 abgerissen) gehörte und möglicherweise über Maria Leopoldine von Österreich (1797–1826) an die Universität Wien kam. Sie war naturwissenschaftlich sehr interessiert, lebte seit ihrer Vermählung mit dem portugiesischem Thronfolger Dom Pedro I. (1798–1834) im Jahre 1817 in Brasilien und sandte häufig große Mengen von Fundstücken an ihre Verwandten, aber auch an Wissenschafter in ihre alte Heimat. Ihr Vater Kaiser Franz I. (1768–1835) richtete 1821 die Sendungen seiner Tochter und der mit ihr nach Brasilien gereisten Wissenschafter ein eigenes Museum ein. Das sogenannte "Brasilianische Museum" befand sich in der Johannesgasse im 1. Wiener Gemeindebezirk und wurde 1836 wieder aufgelöst. Möglich ist nun, dass Dom Pedro I. die Xylothek angefertigt und sein Sohn Dom Pedro II. (1825–1891) sie Erzherzog Ferdinand Maximilian (1832–1867, als Kaiser von Mexiko erschossen) anlässlich dessen Brasilienreise 1859/60 als Geschenk übergeben haben könnte und die Xylothek so nach Wien gekommen ist.

Es ist jedoch auch eine andere Möglichkeit denkbar, denn Franz Heinrich Böck berichtete in seinem 1823 erschienenen Werk:
(Reprint im Bestand der UB Wien)
"Merkwürdigkeiten der Haupt- und Residenz-Stadt Wien und ihrer nächsten Umgebungen.- Zweyter Theil" (Digitalisat ), dass das Herbar des Brasilianischen Museums bereits zwei Jahre nach seiner Gründung schon 7.900 Arten umfasste und meint an dieser Stelle auch: "Besondere Aufmerksamkeit verdient die Sammlung feiner Holzarten mit ihren Landesbenennungen [...]", was deutlich an die vorliegende Holzsammlung erinnert. Zehn Jahre nach dem Tod von Kaiserin Leopoldine wurde das Brasilianische Museum aufgelöst und die pflanzlichen Inventarstücke der Botanischen Abteilung des k.k. Hof-Naturalienkabinetts (heute: Naturhistorisches Museum) überantwortet. Schon 1844 jedoch verfügte eine "Allerhöchste Entschließung" die Übertragung aller botanischen Sammlungen des k.k. Hof-Naturalienkabinetts an das neu erbaute Botanische Museum im Botanischen Garten am Rennweg, und vielleicht kam die Xylothek auf diese Weise an ihren heutigen Ort.

Zuletzt könnte es sich bei der Wiener Holzsammlung aber auch um ein Einzelstück handeln, das im Bestreben angefertigt wurde, das Nutzungspotential der brasilianischen Tropenhölzer auch im Bereich der Anfertigung von Luxusmöbeln zu erweitern.

Dies ist die gekürzte Form eines Textes, den Sie hier in voller Länge nachlesen können:
Eine mysteriöse Sammlung brasilianischer Hölzer in der Fachbereichsbibliothek Botanik (pdf, 48 KB)

Text: Dr. Robert Stangl, Foto: Claudia Feigl