Marsglobus

Marsglobus

Marsglobus von H. Albrecht, Ernst Schotte & Co., Berlin, um 1900
Nach Leo Brenner (1855–1928) und Giovanni Virginio Schiaparelli (1835–1910)
Holz, Messing, Papier
Durchm.: 16,25 cm, Höhe ges.: 31,5 cm
Aus dem Sternwarte-Museum der Universitätssternwarte


Die Sammlung des Instituts für Astronomie beherbergt einen nicht unbeträchtlichen Globenbestand. Einer der Globen, die im Museum der Sternwarte auf der Türkenschanze verwahrt werden, stellt den Planeten Mars dar. Der Globus hat einen Durchmesser von 17 cm (entsprechend einem Maßstab von 1:40 Millionen) und ist mit einer Achse aus Messing auf einem schlichten Holzfuß montiert. Die Herstellung des Globus erfolgte vor etwa 100 Jahren in der Firma von Ernst Schotte in Berlin. Grundlage des Kartenbildes, das von einem nicht näher bekannten Herrn H. Albrecht entwickelt wurde, waren Beobachtungsergebnisse von Giovanni Schiaparelli (1835–1910) und von Leo Brenner (1855–1928). Auf dem Globus sind daher viele sogenannte "Marskanäle" dargestellt. Diese wurden damals in der Tat für Fließgewässer, aber nicht einhellig für Artefakte einer Mars-Zivilisation gehalten. Die Mars-Kanäle erhielten vielfach Namen irdischer Flüsse, so etwa "Euphrat", "Tigris" oder "Orontes". Sie kommen in der modernen Mars-Kartografie ebenso wenig vor, wie die "Seen" (Lacus) und "Meere" (Mare), die man von den Gebietsbezeichnungen des Mondes her kennt. Am Mond hat man sie allerdings beibehalten, obwohl man erkannte, dass es auch auf dem Mond kein flüssiges Wasser gibt.

Nur relativ wenige der auf dem Globus dargestellten Oberflächenstrukturen sind auch heute, im Zeitalter der Erkundung des Mars durch Raumsonden, noch aktuell. Dazu gehört zum Beispiel die bekannte Vulkanregion "Syrtis major". Eine weitere, dem Marsäquator nahe gelegene Region, welche auf unserem Globus schlicht "Ophir" heißt, wird heute als "Ophir Planum" bezeichnet; sie liegt über dem Durchschnittsniveau der Marsoberfläche. Eine große Tiefebene, die auf modernen Marskarten als "Hellas Planitia" verzeichnet ist und auf der Südhalbkugel des Planeten liegt, scheint auf unserem Globus schlicht als "Hellas" auf. Apropos "Südhalbkugel": unser Marsglobus hat die Eigenart, dass Süden oben und Norden unten ist - entsprechend der Umkehrung der Himmelsrichtungen durch das astronomische Fernrohr. Moderne Planetengloben sind dagegen, wie Erdgloben, so orientiert, dass Norden oben ist.

Wer waren nun aber Leo Brenner und Giovanni Schiaparelli , auf deren Beobachtungsergebnissen unser Marsglobus beruht?

Giovanni Virginio Schiaparelli  (*14. März 1835 bei Cuneo; †4. Juli 1910 in Mailand) war ein italienischer Astronom. Von 1864 bis 1900 war er Direktor der berühmten Brera-Sternwarte von Mailand. Weltbekannt wurde er durch seine Marsbeobachtungen und die vermeintliche Entdeckung der so genannten Marskanäle ("Canali") im Jahr 1877, als der Mars der Erde besonders nahe kam. Schiaparelli hielt sie für natürlich entstandene, geradlinige Senken von mehreren Tausend Kilometern Länge und 100–200 Kilometern Breite, durch die sich eventuell Wasser auf der ansonsten trockenen Oberfläche ausbreiten könne. Eine fehlerhafte Übersetzung ins Englische ließ an Artefakte denken. So entstanden Science-Fiction-Romane und ein hartnäckiger Mythos um "Marsmenschen". Nach Schiaparelli ist ein ziemlich großer Krater in der Nähe des Marsäquators benannt.

Spiridon Gopčević  (Pseudonym: Leo Brenner; * 9. Juli 1855 in Triest; † 1928 in Berlin) war Journalist, Diplomat und Amateur-Astronom. Er besuchte 1861–1865 die St. Anna-Jesuitenschule in Wien und 1865–1869 das Stiftsgymnasium Melk. Ab 1875 beteiligte er sich am Herzegowinischen Aufstand gegen die Osmanen sowie am Montenegrinisch-Türkischen Krieg, der 1878 zum Rückzug der Osmanen führte. In den 1880er-Jahren war er Kriegsberichterstatter auf dem Balkan. Er unternahm Reisen nach Sibirien, Nordamerika, Nordafrika und in den Nahen Osten. Als serbischer Attaché war er 1886/87 in Berlin und 1887–1890 in Wien tätig. Unter dem Pseudonym "Leo Brenner" veröffentlichte er zahlreiche Bücher, u. a. zu astronomischen Themen, wobei auch Mars und dessen "Kanäle" ein wichtiger Gegenstand für ihn war. Gegner warfen ihm methodische Fehler vor. 1893 gründete er das Manora-Observatorium auf der Insel Mali Lošinj vor Istrien. Ein 1993 dort neu errichtetes Observatorium ist nach ihm benannt.

Der geheimnisvolle Rote Planet

Der Planet Mars, der nur etwa halb so groß ist, wie die Erde, und nur rund 10% ihrer Masse besitzt, fasziniert die Menschheit seit jeher besonders. Dies dürfte mit seiner rötlichen Farbe und dem enormen Unterschied zwischen seiner größtmöglichen und seiner kleinstmöglichen Helligkeit zusammenhängen (etwa ein Faktor 100 liegt dazwischen!). Im alten Ägypten wurde Mars als "Horus der Rote" bezeichnet. Der Name der ägyptischen Hauptstadt "Kairo" leitet sich von "Al Qahira" ab, dem altarabischen Namen für den Planeten Mars. Im Sanskrit wird Mars u. a. als "Angaraka" (Glühende Kohle) und "Kuja" (der Blonde) bezeichnet. Aufgrund seiner roten Färbung wurde Mars in verschiedenen Kulturen mit Gottheiten des Krieges in Verbindung gebracht. Die Babylonier sahen in ihm Nergal, die Gottheit der Unterwelt, des Todes und des Krieges. Auch für die alten Griechen und Römer repräsentierte er deren jeweilige Kriegsgottheit.

Als 1877 Giovanni Schiaparelli durch aufwändige teleskopische Beobachtungen "Kanäle auf dem Mars" entdeckt zu haben glaubte, bot dies Anlass zu weitreichenden Spekulationen. Zahlreiche Abhandlungen über diese "künstlichen" Gebilde wurden verfasst. Am spektakulärsten war der Roman "Der Krieg der Welten" von H. G. Wells (1898 veröffentlicht und 1938 als Hörspiel weltberühmt geworden). Dieses Hörspiel wurde so authentisch umgesetzt, dass es in der amerikanischen Bevölkerung für große Irritation sorgte, da die Menschen eine wirkliche Invasion von Außerirdischen befürchteten. Erst 1965 beendeten die Aufnahmen der Raumsonde Mariner 4 die Spekulationen über Marskanäle. Sie wurden schließlich als optische Täuschung erkannt. Seit der Ära der Weltraumfahrt ist definitiv klar, dass es auf dem Mars keine Zivilisation gibt.

Aktuelle Sichtbarkeit des Mars

Die bisher letzte Erdnähe des Mars ereignete sich am 3. März 2012. Im Spätwinter und Frühjahr war der Rote Planet die ganze Nacht hindurch sehr gut im Sternbild Löwe zu sehen. Anfang August geht Mars noch mehr als zwei Stunden nach der Sonne unter, am 1. September verschwindet er schon weniger als zwei Stunden nach der Sonne am Westhorizont, wobei er allerdings bei weitem nicht mehr so hell ist, wie die aller hellsten Sterne (die er in Oppositionsstellung mühelos überstrahlt).

Anmerkung der Red.:
Im Jahr 2011 wurde der Globus aus dem Budget der Sammlungenkoordinierungsstelle restauriert.

Text und Foto: PD Mag. DDr. Thomas Posch und Günter Bräuhofer