ZURÜCKGEBEN. Die Restitution afrikanischer Kulturgüter

Ein im Herbst 2017 neu aufgeflammtes und seither in Europa heiß diskutiertes Thema ist nun auch in Österreich angekommen. Dies zeigte sich bei einer Podiumsdiskussion in Wien  im Rahmen der von Georg Lennkh kuratierten Veranstaltungsreihe "Africa. Dimensions of a Continent" in Zusammenarbeit mit dem Weltmuseum Wien  unter dem Titel: "Zurückgeben. Die Restitution afrikanischer Kulturgüter". Dort referierten am 9. September 2019 Bénédicte Savoy, die Leiterin einer von Emmanuel Macron im November 2017 einberufenen Kommission, die schon ein Jahr später in Paris ihren Bericht "Restituer le patrimoine africain" vorlegte, sowie Kwame Opoku (ehemaliger Rechtsberater der Vereinten Nationen in Wien) aus Ghana und Christian Schicklgruber (Leiter, Weltmuseum Wien), die sich auch der Diskussion mit dem Publikum stellten. Der französische Kommissionsbericht vom November 2018 wurde im Juni 2019 auch auf Deutsch veröffentlicht und löste in Deutschland sofort "Abwehrreaktionen"  aus. Horst Bredekamp (Ethnologisches Museum Dahlem - Humboldt Forum Berlin) etwa forderte einen differenzierten Umgang mit Sammlungsobjekten in Deutschland im Vergleich mit großen Kolonialmächten wie Großbritannien oder Frankreich. Nur was nachweislich geraubt worden sei, solle zurückgegeben werden, alles andere sei eine "Umkehr der Unschuldsvermutung".

Bei der Veranstaltung in Wien hielt Bénédicte Savoy mit ganz konkreten Zahlen dagegen: so beispielsweise die, dass ab 1885 im Laufe von nur 34 Jahren 55.000 Objekte aus dem Benin nach Berlin gekommen waren und dort das neu errichtete Völkerkundemuseum im Nu füllten. In Frankreich entstanden - im Nachhall der Pariser Weltausstellung - schon 1878 das "Musée d'Ethnographie du Trocadéro", später bekannt als "Musée de l'Homme", außerdem das "Musée des Colonies", das spätere "Musée national des Arts d'Afrique et d'Océanie". Heute sind die Bestände beider Häuser im "Musée du Quai Branly - Jacques Chirac"  zusammengeführt. Die Museumswebsite verrät, dass es sich als eine der reichhaltigsten Institutionen öffentlicher Hand in Europa versteht, die sich der wissenschaftlichen Beforschung, konservatorischen Erhaltung und öffentlichen Präsentation außereuropäischer Künste und Zivilisationen widmet. Es besitzt derzeit 370.000 Objekte, 700.000 Bilder und in der dazu gehörigen Bibliothek 200.000 Referenzwerke zur Sammlung.

Die Inventarlisten und Archivkästen aller westlichen ethnologischen Sammlungen und ethnografischen Museen zeigen es schwarz auf weiß: überall waren die meisten Bestandszuwächse während der Kolonialzeit zu verzeichnen. Darüber hinaus gelangte aber vieles auch in den Handel und an private Sammler. Afrika, vor allem Afrika südlich der Sahara, habe seither selbst so gut wie keine Artefakte mehr im Land.

Kwame Opoku sprach sich schon lange dafür aus, alle Originale an die Ursprungsländer zurückzugeben: das Argument, nur in Europa würde das wertvolle, historische Museumsgut optimal geschützt und konservatorisch adäquat erhalten, lässt er nicht gelten, denn Afrikaner_innen wüssten noch, wie man mit Schwertern, Masken u. Ä. tanze, während sie in Europa lediglich ausgestellt würden. Objekte seien doch nicht nur Gegenstände, sondern hätten oft religiösen oder spirituellen Charakter. Manchmal dürften sie öffentlich gar nicht zur Schau gestellt werden oder wären eigentlich nur bestimmten Menschen vorbehalten, worauf aber Museumsbesucher_innen gar nicht aufmerksam [gemacht] würden. Eine Teilnehmerin machte in der abschließenden Diskussion klar, dass die Kolonialmächte sich einst frei bedient hätten, und dass Digitalisate der Objekte in Afrika kein geeigneter Ersatz seien. Denn ihren Kindern wolle sie lieber Originale zeigen, um ihnen ihre eigenen Traditionen verständlich machen zu können.

Gefordert wurden ein partnerschaftlicher Umgang zwischen Europa und Afrika, die Gleichbehandlung der afrikanischen Bevölkerung und ihr Mitspracherecht durch die Einbeziehung von Afrikanerinnen und Afrikanern in die Museumsarbeit, damit sie "den Objekten und Traditionen eine Stimme geben" können. Christian Schicklgruber stellte klar, dass Museumsdirektoren über eine Rückgabe nicht selbst befinden können, sondern dass es sich dabei um eine politische Frage handle, es künftig aber einer gemeinsamen Entscheidung zwischen Afrika und Europa bedürfe. Digitalisate seien mittlerweile schon auch eine Möglichkeit geworden ...

... für welche der beiden Seiten? - Die Diskussion ist endlich auch hierzulande angekommen.

Text: Mag.a Birgit Kramreither, Dr.in Margit Sandner