Am 14. Juni 2018 fand das neunzehnte Sammlungstreffen statt, Veranstaltungsort war erstmals das Institut für Kultur- und Sozialanthropologie . Anlass bot die kürzlich abgeschlossene Übersiedlung der Ethnographischen Sammlung in ein neues Depot, das im Anschluss an das Treffen eröffnet wurde. Der thematische Schwerpunkt lag diesmal auf der digitalen Erschließung von Sammlungsbeständen.
Zunächst begrüßte Institutsvorstand Univ.-Prof. Dr. Peter Schweitzer die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Danach gab der Sammlungsleiter, Univ.-Prof. Dr. Hermann Mückler, einen Rückblick auf die Entstehung und wechselvolle Entwicklung der Sammlung. Dabei hob er die Bedeutung von schriftlichen und bildlichen Materialien für die Kultur- und Sozialanthropologie hervor, wobei dreidimensionale Objekte der materiellen Kultur in dieser Disziplin eine besonders wichtige Rolle spielen: insbesondere für die Lehre. Er nannte sowohl die wichtigsten Objektgruppen: historisch-didaktische Lehrbilder (Albuminabzüge), Tonaufzeichnungen (Wachsaufnahmen), Glasplattenbilder (Teil des aktuellen Digitalisierungsprojekts) und natürlich dreidimensionale Objekte, als auch herausragende Bestandsbildner: P. Wilhelm Koppers (1886–1961), Rudolf Pöch (1870–1921) oder Robert von Heine-Geldern (1885–1968). Er schloss mit dem Credo, dass die Bedeutung solcher Archive gerade in unserer immer schnelllebiger werdenden Zeit zunehmen werde.
Als nächstes stellte die Sammlungsbeauftragte Claudia Feigl das Programm vor und skizzierte ihrerseits, wie kritisch es um die Sammlung des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie in den letzten Jahre bestellt gewesen war, und wie spannend und zuletzt glücklich die Übersiedlung in den neuen Aufbewahrungsort verlief. Dann leitete sie zum Schwerpunktthema dieses Vormittags über und kündigte an, dass beispielhaft zwei laufende Digitalisierungsprojekte aus ganz unterschiedlichen, jedoch gleichermaßen sensiblen Bereichen vorgestellt würden. Es gehe auch darum, aktuelle Trends wie den digitalen Wandel in der Wissenschaft oder Open Access professionell im Fokus zu behalten und zukunftsträchtige Perspektiven, wie etwa neueste Förderstrategien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Erschließung und Digitalisierung dreidimensionaler Objekte aktiv mit zu verfolgen.
Dr. Igor Eberhard, Sammlungsbetreuer der Ethnographischen Sammlung, schilderte in seinem Bericht den zuletzt verwahrlosten Zustand der Sammlung in drastischen Worten und ließ die Zuhörerinnen und Zuhörer in einer straffen Rückschau auf die eigentliche Vorbereitung und Durchführung der Übersiedlung mitfiebern: noch im vorigen Sommer standen das Thema Schadensfeststellung und erste Notmaßnahmen im Vordergrund (Pestmanager, Luftentfeuchtung, gründliche Reinigung, etc.), aber schon im Februar dieses Jahres waren der konkrete Umbau zweier neuer Räume à 45 m² mit 600 lfm Regalflächen aus pulverbeschichtetem Stahl und die professionelle Übersiedlung mit einer Kunstspedition fertig konzipiert. Dass das Rechenzentrum den früheren Depotraum beanspruchte, gereichte dem Projekt zum Vorteil, nicht aber, dass am ersten Transporttag ein Wassereinbruch im frisch adaptieren neuen Depotraum passierte... Ende gut, alles gut? Ja, denn schon jetzt, so berichtete Igor Eberhard, ließen sich nachhaltig positive Effekte erkennen: es langten bereits wieder viele Anfragen aus aller Welt ein, die Objekte würden schon dieses Sommersemester aktiv in der Forschung und Lehre genutzt, ein Bachelor-Studium laufe, ausgewählte Objekte würden nach und nach restauriert werden, auch Teile von Vorlässen würden der Sammlung zur Übernahme angeboten, einige davon teilweise digitalisiert und in Unidam erfasst. - Ein Folgeprojekt mit Übertragung in Richtung Phaidra sei angedacht.
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kraus, wissenschaftlicher Leiter des Projekts Ethnographische Datenarchivierung und Dr. Igor Eberhard als Projektmanager informierten dann über die ursprünglichen Anliegen, methodischen Entscheidungen und konkreten Fortschritte dieses seit Februar 2017 laufenden, für zwei Jahre bewilligten Projekts. - Zu den Ausgangsüberlegungen gehörte die Tatsache, dass es einen unübersehbaren Paradigmenwechsel im Fach gegeben habe und einen absehbaren Generationenwechsel durch Pensionierungen geben werde. Man konzentriere sich bewusst nur auf eine Auswahl möglicher Objektgruppen, erprobe Metadaten, lege besonderen Wert auf Kontextualisierung und beziehe nach Möglichkeit noch lebende Forscherinnen und Forscher, etwa in Form von Interviews über deren Arbeitsweise, mit ein. Man vernetze sich mit anderen Data-Management-Initiativen und kehre immer wieder zu der Grundannahme zurück, dass eine Archivierung komplexer Forschungsdaten über jeden ursprünglich befristeten Forschungszweck hinausgehend einen Mehrwert darstelle. Dies gelte für künftige Forschungsfragen der Kultur- und Sozialanthropologie ganz besonders.
Diesen Ausführungen folgte eine intensive Diskussionsrunde, in der u. a. nachgefragt wurde, warum Videos derzeit ausgeschlossen blieben, welchen Quellenwert etwa Feldtagebücher hätten oder wie andere Personen später damit umgehen würden und ob auch Originale, also die physischen Objekte, in die Sammlung gelangten. Wichtig wurde erachtet, dass schon bei der Erfassung möglichst viele Informationen beigegeben werden sollten: nur solche Informationen, die mit erfasst würden, könnten später ausgewertet werden, auch wenn man von vornherein noch nicht abschätzen könne, welche davon in Zukunft wichtig werden könnten. Unvermeidlich kam es daher zu einer zeitlichen Verschiebung der Kaffeepause, in der Fachgespräche fortgeführt und persönliche Kontakte intensiviert wurden.
Den zweiten Teil des Sammlungstreffens eröffneten Frau Dr. Birgit Peter, Leiterin des am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft angesiedelten, drittmittelgeförderten Projekts HIC: Sammlungsideologie und Geschichtsschreibung. Forschungsgeleitete Digitalisierung theaterhistorischer Materialien des 'Zentralinstituts für Theaterwissenschaft' 1943–1945 und ihr Projektteam. Dieses Projekt hat es sich zum Ziel gesetzt, ausgewählte Teilbestände des Institutsarchivs zu digitalisieren und elektronisch zu rekontextualisieren. Zu diesem Zweck wurde ein Modell zur Erschließung der Materialien entworfen und eine eigene Datenbank aufgebaut, die mit anderen fachrelevanten elektronischen Ressourcen und Infrastrukturen verknüpft ist, etwa mit der ebenfalls am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien entwickelten Inszenierungsdatenbank THEADOK . Die Vielfalt der Möglichkeiten an Verlinkungen mit Informationen aus anderen elektronischen Infrastrukturen wurden anhand einiger weniger Beispiel-Datensätze sehr anschaulich und eindrucksvoll präsentiert.
Aus datentechnischer Sicht skizzierte anschließend der Technische Leiter für Phaidra und Unidam, Raman Ganguly vom Zentralen Informatikdienst (ZID) eine mögliche Strukturierung archivierter Forschungsdaten von der Digitalisierung bis zur Visualisierung, die für jegliche Art von Datenmanagement mit Metadaten und Langzeitarchivierung gelten könne. Ziel sei es in jedem Fall, die nötige Qualität der Daten für den gewünschten Zeitraum (maximal: solange wie möglich) aufrecht zu erhalten und den Zugang zu ihnen (nur für Berechtigte oder "Open Access") zu gewährleisten. Würden mehrere Systeme parallel eingesetzt, so müsse auch der Datentausch zwischen ihnen sichergestellt werden. Im Rahmen der Errichtung einer digitalen Infrastruktur werde stets darauf geachtet, dass auch zwischen den Ebenen ein Austausch möglich werde und bleibe, etwa auch nach außen, beispielsweise zu Metadaten. Für veraltete elektronische Daten brauche es Emulationen, bei Formatwechseln müssten die eigenen Daten migriert und meist auch transformiert, also dem Qualitätsunterschied angepasst werden. Auch auf diesen Beitrag folgte eine angeregte Fragenrunde. Angesprochen wurden u. a. u:cris und die Möglichkeit, bewährte Module aus Museumsverwaltungssystemen (z. B. jenem des Joanneums in Graz) nachzunutzen oder einzelne Funktionalitäten aus verschiedenen Museumsdatenbanken zu übernehmen.
Als Abrundung folgte ein Kurzbericht von Claudia Feigl über die aktuellen Aktivitäten im Bereich Universitätssammlungen im zurückliegenden halben Jahr, darunter die Auswertung der Bedarfserhebung "Digitale Verzeichnisse von Universitätssammlungen", abgeschlossene und laufende bestandserhaltende Maßnahmen (etwa die Übersiedlung und Neuaufstellung der Ethnographischen Sammlung, die Reinigung und Konservierung von fünf Blaschka-Glasmodellen, die Restaurierung von fünf botanischen Modellen, die Montage von Acrylglasplatten als Zugriffsschutz für Großobjekte im Geozentrum sowie die Vorbereitung der Restaurierung, Digitalisierung und Umlagerung botanischer Wandtafeln. Schließlich gab es noch Veranstaltungshinweise, etwa auf die Sammlungstagung 2018 an der Universität Mainz, die zugleich mit der 'Jahrestagung der Gesellschaft für Universitätssammlungen' im September stattfindet und auf einen 'Workshop der AG Sammlungserhalt' Ende November, der in Kooperation mit der Ethnographischen Sammlung organisiert und am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie stattfinden wird. Claudia Feigl lud schließlich erneut dazu ein, die eigene Sammlung in die UMAC-Datenbank (ICOM) einzutragen. Ergänzend berichtete Margit Sandner in aller Kürze über den Fortschritt bei der durch das geänderte Layout nötigen Aktualisierung der Sammlungen-Website. Handlungsbedarf bestehe beim Auf- und Umbau der alphabetischen Sucheinstiege und bei der strukturierten Suche nach Institutionen. Unterschiedliche Modelle wurden als mögliche Notlösungen vorgestellt: Feedback hierzu wäre erwünscht! Abschließend gab sie statistische Zahlen zu den seit 2008 präsentierten 123 "Objekten des Monats" bekannt.
Nach dem Sammlungstreffen lud Igor Eberhard zur Besichtigung eines der beiden neu besiedelten Depoträume der Ethnographischen Sammlung im Kellergeschoß ein. Seiner Führung durch das Schaudepot ging die offizielle Eröffnung voraus. Angestoßen wurde aber erst danach - etwas erschöpft - in gelöster Stimmung im Rahmen eines kleinen Buffets im Sitzungsraum des Instituts.
Das nächste Sammlungstreffen ist für Jänner 2019 geplant.
Foto: Besichtigung des neuen Depots der Ethnologischen Sammlung; Fotografin: Claudia Feigl