Der „Adler-Flügel“ Wien, Bösendorfer, ca. 1899
Aus der Musikinstrumentensammlung
Der alte Bösendorfer-Flügel am Institut für Musikwissenschaft ist ein Geschenk, das der Klavierbauer Ludwig Bösendorfer 1899 dem damaligen Ordinarius und Gründer des Musikwissenschaftlichen Instituts, Guido Adler (1855–1941), machte. Ludwig Bösendorfer (1835–1919) war nicht nur ein Pionier des Klavierbaus, sondern auch eine wichtige Persönlichkeit des Wiener Musiklebens und stets daran interessiert, den Namen seines Unternehmens werbewirksam zu positionieren. Er belieferte den Hof, schenkte dem Musikverein zur Eröffnung des neuen Hauses am Karlsplatz vierzehn Klaviere und ließ den für seine Akustik damals weltberühmten Bösendorfer-Saal (den es heute nicht mehr gibt) bauen.
Dass Bösendorfer auch das Musikwissenschaftliche Institut bedachte, kann als große Wertschätzung gesehen werden. Es zeigt auch, dass die musikalische Öffentlichkeit von der Entstehung der akademischen Disziplin Musikwissenschaft Notiz nahm und die Institutsgründung als bedeutsam für die österreichische Musikszene erachtete. Seit 1870 gab es an der Wiener Universität eine Lehrkanzel für „Geschichte und Ästhetik der Tonkunst“ – es war die erste musikwissenschaftliche Lehrkanzel in der Geschichte der akademischen Disziplin. Ihr Inhaber, Eduard Hanslick (1825–1904), hielt Vorlesungen zur Musikgeschichte, für die er über die Universität hinaus großes Ansehen genoss.
Als 1898 nach jahrelangen Querelen und Intrigen, in die auch Johannes Brahms (1833–1897) verstrickt war, Guido Adler die Nachfolge Hanslicks antrat, begann eine neue Ära der Musikwissenschaft in Österreich. Die Lehrkanzel avancierte zum Institut mit eigenen Räumlichkeiten und einer Bibliothek. Die Wiener Musikwissenschaft war anderen Universitäten Vorbild in der Institutionalisierung der Disziplin.
Generationen von Lehrenden diente der Bösendorfer-Flügel im Unterricht. Erst 1987 wurde ein neues Klavier angeschafft, wieder ein Bösendorfer. Damit ist der „Adler-Flügel“ zum musealen Relikt geworden, das an den großen Pionier der Musikwissenschaft erinnert. Seit Jahren gibt es Überlegungen, ihn zu restaurieren und wieder spielbar zu machen. Er wäre auch heute noch ein ausgezeichnetes Instrument.
Text: Ass.-Prof. Mag. Dr. August Schmidhofer; Foto: Mag. Ariella Sobel