Bucheinband mit Elfenbeintafel des Evangelisten Johannes aus dem Domschatz zu Halberstadt

Bucheinband mit Elfenbeintafel des Evangelisten Johannes aus dem Domschatz zu Halberstadt

Zeichnung von Hermann Schäfer nach spätantikem und mittelalterlichem Kunstgewerbe
Farblithografie, Wien, um 1880
Blattgröße: H 45,5 x B 33,9 cm
Aus der Original-Sammlung des Instituts für Kunstgeschichte


Die Farblithografie zeigt einen alten, nicht sehr gut erhaltenen Prachteinband aus dem Domschatz zu Halberstadt. Das Zentrum des Buchdeckels ziert eine annähernd quadratische Elfenbeintafel aus dem 10. Jahrhundert. Reste von goldenen Zierbändern und aufwändig gefasste Edelsteine zeugen von der einstigen Pracht und belegen die Wertschätzung der heiligen Schrift, die durch den Einband geschützt wird. Auf der Elfenbeintafel ist der Evangelist Johannes als Schriftgelehrter und Lehrender dargestellt. Auf einer Cathedra sitzend, ist Johannes umgeben von den Insignien des Wissens, einem Lesepult und einer Kiste mit Schriftrollen. Ein aufmerksam mitschreibender Schüler sitzt vor ihm auf einem niedrigen Hocker. Stadtmauern bilden den Hintergrund der Szene.

Der Vergleich mit dem erhaltenen Bucheinband zeigt, dass unsere Farblithografie nicht nur einen anderen Erhaltungszustand dokumentiert, sondern auch eine idealisierte Darstellung ist. Die hölzerne Grundplatte ist in Wirklichkeit viel unebener und weist links ein tiefes Loch auf, das in der grafischen Darstellung fehlt. Der goldene Stern mit dem weißen Edelstein, der links unten montiert war, ist inzwischen verloren gegangen und von dem erhaltenen Metallstern mit dem blauen Edelstein in der rechten oberen Ecke fehlen ein paar Zacken. Etwas überraschend ist, dass am Buchdeckel unten rechts ein Stück des metallenen Ornamentbandes und ein gefasster Edelstein erhalten sind, die wiederum auf der Zeichnung fehlen. Vermutlich wurden sie bei einer späteren Restaurierung wieder angebracht.

Die Farblithografie gehört zu einer Serie von zwölf Blättern, die für ein bislang unbekanntes Buch über spätantikes und mittelalterliches Kunsthandwerk angefertigt wurden. Wann und auf welchem Wege diese Blätter in den Besitz der Universität Wien gelangt sind, lässt sich heute nicht mehr genau feststellen. Sicher ist nur, dass es sich um Andrucke handelt, die in der k.k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien hergestellt worden sind, und dass sie zu der ältesten kunsthistorischen Lehrsammlung, dem sogenannten Lehrapparat der Universität Wien gehörten.

Text: Dr. Martin Engel, Foto: Institut für Kunstgeschichte, Karl Pani; Jurai Lipták