von Ferdinand Fellner (1847–1916)
Handkolorierter Plan der Südfassade der neuen Universitätssternwarte auf der Türkenschanze (um 1873)
Maße: ca. 70 x 40 cm
Aus der Universitätssternwarte und dem Sternwarte-Museum
Wir schreiben den 18. Oktober 1849. Der Bauingenieur der Generalbaudirektion Hieronimus Schaller (1825–1872) signiert erste Pläne für eine neue, große Universitätssternwarte in Wien. Sie sollte auf einem Weinberg zwischen Währing und Hernals, in der Nähe des heutigen Gürtels, errichtet werden. Die Anregung zum Neubau hatte der Sternwartedirektor Carl von Littrow (1811–1877, auch "Littrow der Jüngere") gegeben, da die seit 1756 bestehende ältere Sternwarte - ein zweistöckiger Aufbau über dem vorderen Teil des damaligen Hauptgebäudes der Universität - den Ansprüchen der Forschung nicht mehr genügen hatte können. Er führt damit die Idee seines Vaters, Johann Joseph von Littrow (1781–1840), weiter, der schon 20 Jahre vorher Studien und Entwürfe eingereicht hatte. Die Nutzung größerer, stabil aufzustellender Teleskope, die massive Pfeiler als Fundamente benötigt hätten, wäre an diesem Standort (heute Hauptgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) nicht möglich gewesen.
Doch Schallers Pläne aus dem Jahr 1849 blieben ebenso unverwirklicht wie modifizierte Pläne aus dem darauffolgenden Jahr. Erst um 1867 kam wieder Bewegung in die Sache, als mit der Planung eines neuen Hauptgebäudes der Universität begonnen wurde. Carl von Littrow witterte Frühlingsluft. Immer noch in Zusammenarbeit mit Schaller schritt er an die Adaptierung der schon gezeichneten Pläne für einen alternativen Standort: den südlichsten Teil der Türkenschanze, damals noch vor den Toren der Stadt gelegen, da Währing noch nicht eingemeindet war. Tatsächlich wurde fünf Jahre später, 1872, an besagter Stelle ein Grundstück für das neu zu errichtende Observatorium erworben.
Um diese Zeit befand sich der Astronom Edmund Weiß (1837–1917) auf einer Forschungsreise durch die USA, um einige der dort um die Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Sternwarten kennenzulernen, u. a. das U.S. Naval Observatory in Washington. Unter Berücksichtigung seines wissenschaftlichen Reiseberichts schritt Littrow 1873 an die Umsetzung des Neubaus. Als Architekt konnte nun der damals erst 26 Jahre alte Ferdinand Fellner d. J. (1847–1916) gewonnen werden, der freilich die oben erwähnten älteren Pläne Schallers ebenso wie Anregungen Edmund Weiß' und Carl von Littrows einbeziehen konnte. Als selbständige Arbeit hatte Fellner das sog. Interimstheater in Brünn (Brno) realisiert. In weiterer Folge sollte er zusammen mit Hermann Helmer (1849–1919) durch eine große Zahl von Opernhaus- und Theaterbauten in der österreichisch-ungarischen Monarchie hervortreten.
Unser Objekt des Monats zeigt einen etwa 70 x 40 cm großen Ausschnitt aus einem handkolorierten Plan der Südfassade der neuen Universitätssternwarte auf der Türkenschanze, wahrscheinlich direkt aus der Feder Ferdinand Fellners und aus der Zeit um 1873. Die Baubewilligung erfolgte am 14. März 1874, die Grundsteinlegung am 19. Juli. Die feierliche Eröffnung der Sternwarte durch Kaiser Franz Joseph erfolgte allerdings erst am 5. Juni 1883.
Noch heute entspricht die Südfassade des 105 m langen Sternwartegebäudes auf der Türkenschanze - übrigens ist dieses das größte geschlossene Sternwartegebäude Europas - im Prinzip dieser Ansicht. Allerdings ist gerade dieser repräsentativste Fassadenteil seit Jahren eingerüstet und harrt der Restaurierung. Die Formensprache der Architektur orientiert sich im Sinne des Historismus an der oberitalienischen Renaissance des 16. Jahrhunderts.
Der handkolorierte Plan selbst konnte bereits Ende 2012 fachkundig restauriert werden, und zwar dank der finanziellen Unterstützung aus dem Projekt "Die Sammlungen der Universität Wien". Der Plan bildet einen Teil des umfangreichen Archivs der Universitätssternwarte Wien, welches auch historisch bedeutende Nachlässe (u. a. Maximilian Hell, Joseph Johann von Littrow, Hans Hörbiger oder Tobias Bürg) beherbergt, die derzeit im Rahmen eines Projekts aufgearbeitet, digitalisiert und teilweise ediert werden.
Dieses Objekt des Monats als Digitalisat in Phaidra: o:296003 und o:296004
Institut für Astrophysik der Universität Wien
Text: DDr. Thomas Posch und Günter Bräuhofer, Fotos: Günter Bräuhofer