Österreich, 1. Republik
Zwei Groschen, Wien 1928 (Jaeger 425; Schön 40)
Vorderseite: ♦ÖSTERREICH♦ Kruckenkreuz, darunter Jahreszahl 1928
Rückseite: 2 / GROSCHEN, zweizeilige Punzierung: Rettet / Torgler
Gewicht: 3,27 g; Maße: Ø 19,3 mm; Bronze
Inventarnummer: 20933
Aus der Numismatischen Sammlung
Zwei-Groschen-Münzen, wie die hier gezeigte, wurden 1925 bis 1930 und 1934 bis 1938 in Wien geprägt, waren ab April 1938 mit einem Kurswert von zwei Reichspfennig auch in ganz Deutschland gültig und blieben im Umlauf, bis sie im März 1942 außer Kurs gesetzt wurden. In dieser Zeit wurde unser Objekt des Monats als Medium verwendet, um auf den Fall Ernst Torgler aufmerksam zu machen. Ernst Torgler wurde 1893 in Berlin geboren und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung. Mit 14 Jahren wurde er Mitglied der sozialistischen Jugend, später SPD-Mitglied. Im Ersten Weltkrieg war er unter anderem als Fliegerfunker an der Front im Einsatz. Nachdem Torgler 1917 zur USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) übergetreten war, erfolgte drei Jahre später, gemeinsam mit dem linken Flügel der Partei, der Übertritt zur KPD. 1924 wurde er als Abgeordneter in den Reichstag gewählt, dem er, ab 1929 als Fraktionsvorsitzender, bis 1933 angehörte. - Ernst Torgler starb 1963 nach schwerer Krankheit in Hannover. Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 wurde Torgler von den Nazis als Mittäter verdächtigt. Sehr schnell und hartnäckig verbreitete sich das Gerücht, dass es sich bei dem Brand um ein gezieltes Attentat der Kommunisten gehandelt habe. Um seine Unschuld zu beweisen, stellte sich Torgler gegen den Willen der Parteiführung selbst der Polizei, wurde jedoch im folgenden Reichstagsbrandprozess zu einem der Hauptverdächtigen.
Die Brandstiftung im Reichstag wurde im Prozess als von den Kommunisten inszeniertes "Signal für blutigen Aufruhr und Bürgerkrieg" bezeichnet. Nachdem sogar die Todesstrafe für Torgler beantragt worden war, folgte im Dezember 1933 mangels Beweisen seine Freilassung. Allerdings wurde er nach seiner Freilassung in "Schutzhaft" genommen und verbrachte die folgenden drei Jahre im KZ. Da die KPD sein Verhalten und Handeln während des Prozesses als nicht im Sinne der Partei ansah, wurde Torgler ausgeschlossen. Auch sein Rechtsanwalt Dr. Alfons Sack , ein bekennender Nazi, der durch unglückliche Umstände als Verteidiger eingesetzt werden musste, trug maßgeblich zu diesem Parteiausschluss bei, denn er beschränkte sich auf die Widerlegung der Anklagepunkte gegen seinen Mandanten, tat aber nichts gegen die generellen Anschuldigungen der Brandstiftung der KPD. Der Parteiausschluss war endgültig. Bemühungen um eine Wiederaufnahme in die KPD blieben ohne Erfolg.
Auf dem Revers der Zwei-Groschen-Münze wurden nachträglich die Worte "Rettet Torgler" eingeschlagen. Dies dürfte während seines Prozesses erfolgt sein. Bei genauerer Betrachtung kann man einige Aussagen über die Punzierung machen: sie verläuft von links nach rechts oben und verdeckt Teile des Münzbildes. Die Wörter wurden vermutlich nicht mit einer einzigen zweizeiligen Punze, sondern einzeln, Buchstabe für Buchstabe, eingeschlagen. Das "T" in der zweiten Zeile sitzt eindeutig tiefer als die restlichen Buchstaben. Beim Vergleich mit einem Ein-Groschen-Stück, das ebenfalls diese Punzierung trägt (1 Groschen, 1928, Jaeger 424, Privatbesitz) fällt auf, dass das "l" auf dem Kopf zu stehen scheint, was wiederum auf frei bewegliche Buchstabenpunzen hinweist. Auch die Tiefe der Punzierung ist bei den einzelnen Buchstaben verschieden, was auf unterschiedlich starke Prägeschläge hinweisen könnte und direkt am Original gut erkennbar ist. Dass die Worte durch einzelne Buchstabenpunzen eingeschlagen wurden, deutet auf eine geringe Auflage der im Nachhinein veränderten Münzen hin, denn für jedes Stück war ein verhältnismäßig hoher Aufwand nötig. Die "Rettet Torgler"-Punzierung konnte bisher nur auf österreichischen Münzen beobachtet werden, weshalb man eine Verbindung zur KPÖ vermuten kann. Es sind weitere Münzen bekannt, die nachträglich auf ähnliche Weise verändert wurden, und durch deren Einpunzierungen sich die KPÖ zum Teil auch namentlich zu erkennen gab.
Die vorgestellte Münze mit außergewöhnlicher Punzierung ist nur eines der zahlreichen Objekte aus der Sammlung des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte . Die Numismatische Sammlung beherbergt nicht nur Münzen aus der ganzen Welt von der Antike bis zur Gegenwart, auch Medaillen, Wertmarken, Papiergeld, Wertpapiere, Notgeld, Gipsabgüsse, Galvanos oder etwa Prägestempel zählen zum breit gefächerten Bestand. Seit 2013 wird dieser Bestand im Rahmen einer Studienassistenz-Stelle Schritt für Schritt digitalisiert. Dabei werden die Objekte wissenschaftlich aufgearbeitet, ihre Beschreibung und Bestimmung, die technischen Daten sowie Fotos des jeweiligen Stücks in die eigens dafür errichtete Datenbank eingearbeitet, für zukünftige Projekte vorbereitet und zugänglich gemacht.
Vom 17. - 18. Mai 2018 findet in Kooperation mit dem Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien der 8. Österreichische Numismatikertag statt. Verantstaltungsort ist das Landesmuseum Rudolfinum in Klagenfurt, die Teilnahme ist kostenlos.
JAECKEL, PETER: Die Münzprägungen des Hauses Habsburg 1780-1918 und der Republik Österreich seit 1918. Die Münzprägungen der deutschen Staaten vor Einführung der Reichswährung 3, 4. Auflage, Basel 1970. Exemplar im Bestand der UB Wien
SCHÖN, GÜNTER; SCHÖN, GERHARD: Kleiner deutscher Münzkatalog. Von 1871 bis heute, 47. Auflage, Augsburg 2017. Exemplar im Bestand der UB Wien
PODEWIN, NORBERT: Der gelöschte Name: Ernst Torgler, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 47/2, Kösching 2005, S. 143-159. Zeitschrift im Bestand der UB Wien
WEBER, HERMANN; HERBST, ANDREAS: Ernst Torgler, in: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2008, S. 795-796. Andere Auflage im Bestand der UB Wien
Text und Foto: Agnes Aspetsberger