Ahnenfigur aus Papua-Neuguinea

Ahnenfigur aus Papua-Neuguinea

Ovales Holzschnitzwerk: Menschenfigur mit Lendenschurz, Krokodil und Vogel
Mitte 20. Jhdt.
Holz, Naturfaser (bemalt), Nägel
Maße: H 79 x B 39,5 cm / Menschenfigur: H 52 x B ca. 29 cm
Die Menschenfigur trägt einen Lendenschurz aus Naturfasern in ecru mit schwarzem und rotbraunem Muster.
Inventar-Nummer: Oz 533
Aus der Sammlung des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie


Um Sammlungen und Objekte zu verstehen, muss man manchmal erst Wege finden, um zu Wissen über diese Objekte zu gelangen. Oft benötigt man auch etwas mehr Zeit, um die Objekte zum Sprechen zu bringen und ihre Geschichte (wieder) zugänglich machen zu können. Wie bei Menschen muss man auch bei Objekten deren "Sprache" lernen, um sich Bedeutungen erschließen zu können. Ohne ihre Bedeutung zu kennen, sind sie vorerst kaum verständlich, ja fast unlesbar. Auch bei dieser Schnitzerei aus Papua-Neuguinea geht es erst einmal kaum anders. Das hier vorgestellte Schnitzwerk aus der East Sepik-Provinz  ist wahrscheinlich eine der typischen sog. "Hakenfiguren". Oft hingen sie in Wohnhäusern oder im Männerhaus, und wurden an Lianen oder Ähnlichem im Dachgebälk aufgehängt. Diese Figuren dienten häufig als Aufhängevorrichtungen für Lebensmittel oder wichtige Dinge der Gruppe, um sie vor Ratten oder Ungeziefer zu schützen. Einige solcher Haken wurden bei kopfnehmenden Gruppen auch als Aufbewahrungsmöglichkeit für Schädel von Feinden genutzt. Sollte sich herausstellen, dass dieser Haken Teil der Kopfnahmerituale wäre, hätte er große kultische Bedeutung.

Das ovale Schnitzwerk zeigt einen männlichen Ahnen, umgeben von einem Krokodil. Das Krokodil zumindest ist ein Hinweis auf eine Verbindung mit den Schöpfungsmythen, denn Krokodile spielten bei Initiationen und Ritualen, wie für die Mannbarkeit oder die Kopfjagd der Männer, eine größere Rolle. Ein Vogel stand bei einigen Gruppen am Sepik  für die Verbindung zu den Totengeistern oder dem Tod selbst. Auch dies würde für eine Verwendung bei Kopfnahmeritualen sprechen. Die Ahnen hatten eine Schutzfunktion. Doch bisher sind dies alles nur Wahrscheinlichkeiten oder Vermutungen. Die Sammlungs- und Objektgeschichte muss erst noch weiter erforscht werden, denn die Dokumentation ist nicht vollständig. Deshalb ist es schwierig, mehr über die Schnitzerei zu erfahren. Mit ihr kann man schließlich auch mehr über die Menschen lernen, die es herstellten und benutzten und für die sie Bedeutung hatte, und so Zugang zu ihnen finden.

Eine andere Schwierigkeit war der Aufbewahrungsort: die Ethnographische Sammlung war etwa die letzten zwölf Jahre gesperrt und kaum zugänglich. Dementsprechend schlecht war auch ihr Zustand. Die Möglichkeiten und Chancen einer Sammlung für Forschung und Lehre wurden fast vergessen. Erst 2017 begann sich die Situation wieder zu ändern. Durch das Projekt Ethnographische Datenarchivierung , die Universitätsbibliothek (UB) Wien, die Sammlungsbeauftragte, viel ehrenamtliche Arbeit und nicht zuletzt durch das Institut selbst konnte die Sammlung nach und nach wieder aktiviert, in einen guten Zustand gebracht und neu ausgerichtet werden. Im Sommer 2017 wurde mit der Konzeption und Planung eines neuen Depots begonnen. Die Lagerungsbedingungen sollten verbessert und die Sammlung geschützt werden. Um sie auch für die Nachwelt weiter zu bewahren, sollten die Objekte einen besseren Ort finden. Hilfreich war an diesem Punkt auch, dass der Zentrale Informatikdienst (ZID) der Universität Wien den Raum des alten Depots für seine EDV benötigte. So wurde mit Unterstützung der UB, des ZIDs und des Raum- und Ressourcenmanagements in einem gemeinsamen Kraftakt mit der Planung und dem Bau des neuen Depots begonnen. Die Bauarbeiten wurden im April 2018 abgeschlossen. Die allerletzten kleinen Arbeiten im neuen Depot laufen noch. Alle Objekte und Sammlungsteile müssen wieder ihren endgültigen Platz finden. Beim nächsten Sammlungstreffen wird das neue Depot feierlich eröffnet.

Vielleicht hilft der Ahne auf der Schnitzerei und schützt das neue Depot, wie er es möglicherweise einmal an seinem ursprünglichen Ort getan hat. Jetzt zumindest besteht die Chance, das herauszufinden. Das Objekt kann seine Sprache wiederfinden. Damit können Forschende, Lehrende und nicht zuletzt Studierende wieder Zugang zu den Menschen dahinter finden. Das ist ein guter Neuanfang.

Veranstaltungshinweis:

Als Abschluss des nächsten Sammlungstreffens wird das neue Depot der Sammlung des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie feierlich eröffnet. Zunächst führt Mag. Dr. Igor Eberhard durch das neue Depot, anschließend gibt es einen kleinen Umtrunk im Sitzungszimmer des Instituts.

Datum: Donnerstag, 14. Juni 2018
Uhrzeit: 13:00 Uhr
Ort: Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Keller
Treffpunkt: Erdgeschoß, bei Stiege III
Adresse: Universitätsstraße 7, 1010 Wien (NIG)

Literatur:

BATESON, Gregory (1932). Social Structure of the Iatmül People of the Sepik River. In: Oceania (2/1932): S. 245-291; 401-453. Zeitschrift im Bestand der UB Wien
GLASSIE, Henry (1991). Studying Material Culture Today. In: Pocius, Gerald L. (Hg.): Living in a Material World. Canadian and American Approaches to Material Culture. St. John’s: 253-266.
OHLIG, Silke (2006). Zeichen am Sepik. Die Neuguinea-Sammlung des Seeoffiziers Joseph Hartl von 1912 und 1913 im Staatlichen Museum für Völkerkunde München als semiotischer Untersuchungsgegenstand. Dissertation. Ludwig-Maximilians-Universität München.
SCHEFOLD, Reimar (1966). Versuch einer Stilanalyse der Aufhängehaken vom Mittleren Sepik in Neu-Guinea. Basel. Exemplare im Bestand der UB Wien
SCHELLER, Andreas (1941). Aufhängehaken aus Indonesien und der Südsee. In: Ethnologica (5/1941):73-171. Zeitschrift im Bestand der UB Wien

Text: Mag. Dr. Igor Eberhard, Foto: ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kraus