Porträt des Julius Caesar

Porträt des Julius Caesar

Gipsabguss eines Marmorporträts, 2005
Höhe des Kopfes: 28 cm
Aus der Archäologischen Sammlung


Der Kopf ist ein Abguss des besterhaltenen Marmorporträts des römischen Politikers C. Julius Caesar (100–44 v. Chr.). Er war, wie die Zurichtung unterhalb des Halses zeigt, dafür bestimmt, einer getrennt gearbeiteten Statue aufgesetzt zu werden. Nach dem Format des Kopfes ging diese Statue leicht über die natürliche Größe hinaus. Caesar ist als Mann mittleren Alters wiedergegeben, mit einem kantigen Schädel, hoher Stirn, zurückweichendem Haaransatz und kurzen, eng am Kopf anliegenden und nach vorne gekämmten Haarsträhnen. Er wendet sich mit ruhigem Blick leicht zu seiner rechten Seite. Der geschlossene Mund wird von markanten Faltenzügen umspielt, die dem Gesicht einen Ausdruck von Energie und Entschlossenheit geben.

Der Kopf wurde 2003 von einem Grabungsteam der Universität Tübingen auf der südlich von Sizilien gelegenen Insel Pantelleria gefunden. Er lag - zusammen mit zwei weiteren römischen Porträts (von denen die Archäologische Sammlung gleichfalls Abgüsse besitzt) - in einem antiken Wasserreservoir. Der Fundkontext liefert in diesem Fall keine Informationen über Entstehungszeit und Funktion des Werkes oder über die Identität des Dargestellten.

In der Zeit der späten römischen Republik oder der frühen Kaiserzeit entstandene Porträts von Männern mit spärlichem Haarwuchs, knochigem Gesicht und energischer Miene werden häufig spontan “Caesar” benannt, so zuletzt ein Neufund aus der Rhône. Benennungen ohne Begründungen sind wissenschaftlich wertlos, weil sie nicht nachvollziehbar sind. Die Klassische Archäologie hat konkrete Kriterien für die Identifizierung von Porträts entwickelt, die im Falle des Kopfes in Pantelleria zu einem eindeutigen Ergebnis führen.

Die sicherste Grundlage für die Benennung von Bildnissen sind Vergleiche mit den physiognomischen Charakteristika und den Frisuren von Porträts, die durch antike Quellen als Darstellung einer bestimmten historischen Person gesichert sind (z.B. Porträts auf Münzen mit Beischrift, rundplastische Porträts mit Inschriften). Rundplastische Porträts von Personen öffentlichen Interesses (z. B. Politiker, aber auch Intellektuelle) waren in der Regel keine Einzelstücke, sondern Kopien von einem Urbild, das programmatisch entworfen und für Vervielfältigung bestimmt war. Dieses Urbild und die von ihm abhängigen Kopien bezeichnet man als Porträttypus. Der Kopf aus Pantelleria gehört zu einem solchen Porträttypus, von dem sich acht Exemplare erhalten haben. Keines ist durch eine antike Inschrift oder seinen Kontext identifizierbar. Vergleiche mit Münzporträts von Julius Caesar aus dem Jahr 44 v. Chr. erlauben aber eine eindeutige Benennung. Der in Pantelleria gefundene Kopf dieses Typus ist, wie die Analyse des Stils (d. h. der formalen Ausarbeitung) zeigt, erst lange nach dem Tod des Diktators entstanden, zur Regierungszeit des Claudius (41–4 n. Chr.), der sich als einer der Nachfolger des Augustus, des Adoptivsohns Caesars, ebenfalls Caesar (daher: “Kaiser”) nannte.

Der Abguss des Caesarkopfes wurde mit Mitteln der Universität Wien gesockelt und, als erfreuliche Bereicherung, im Untergeschoß der Archäologischen Sammlung des Instituts für Klassische Archäologie aufgestellt.

Text: Univ.-Profin. Drin. Marion Meyer, Foto: Edith Hütter