Lukeme (calina) aus Paimol (Agago-District), Nord-Uganda, 2008
Holz, Metall
Maße: 16 x 21 x 5 cm
Aus der Musikinstrumenten-Sammlung
Das vorgestellte Objekt ist eines von insgesamt acht zur Gruppe der Lamellophone zählenden lukeme, die sich am Institut für Musikwissenschaft befinden. "Lamellophon" ist ein Sammelbegriff für Musikinstrumente, die aus einer kleinen Box oder einem Brettchen bestehen, auf welchem Lamellen aus Eisen, Raphia oder Bambus in einer Weise befestigt sind, dass sie beim Anzupfen einen Ton erzeugen. Wegen des charakteristischen Spiels mit den Daumen beider Hände wurden diese Instrumente in der älteren Literatur vielfach als "Daumenklaviere" bezeichnet. Das Vorkommen von Lamellophonen beschränkt sich auf Afrika südlich der Sahara sowie die afrikanische Diaspora.
Beim Volk der Acholi in Norduganda sind Lamellophone seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Es wird angenommen, dass das Instrument von der Demokratischen Republik Kongo aus nach Osten "gewandert" ist. Die Acholi-Bezeichnung lukeme bzw. okeme rührt von likembe, der kongolesischen Bezeichnung her.
Die lukeme wurde in Norduganda, wie Lamellophone fast überall sonst auch, solistisch gespielt. Ab den 1970er Jahren aber bildeten sich Ensembles von Instrumenten unterschiedlicher Größe heraus. Es war die Zeit nach dem Erlangen der Unabhängigkeit, in der man sich wieder stärker des afrikanischen kulturellen Erbes entsann, was unter der Herrschaft von Idi Amin auch kulturpolitisch opportun war. Bei den Wochenend-Parties der Jugendlichen in Norduganda verdrängten damals lukeme-Ensembles Gitarre, Banjo und Akkordeon, die zuvor in Mode gewesen waren.
Während des Bürgerkriegs in Norduganda, als fast die gesamte Bevölkerung des Acholi-Gebietes in Lagern verbringen musste, wurden künstlerisch hervorragende Ensembles gegründet. In einem solchen IDP (Internally Displaced People)-Camp in der Ortschaft Paimol (Agago-Distrikt) wurden die in der Sammlung des Instituts für Musikwissenschaft befindlichen Instrumente 2008 erworben. Das Ensemble besteht aus fünf kleinen (einheimische Bezeichnung: olang - Glocke, ca. 11 x 17 x 4,5 cm), zwei mittelgroßen (calina - Solo, ca. 16 x 21 x 5 cm) und einem großen (min lukeme - Mutter-lukeme, 30 x 39 x 6,5 cm) Instrument, denen im musikalischen Ganzen jeweils unterschiedliche Rollen zukommen.
Jedes Instrument weist zwischen 14 und 20 Lamellen in pentatonischer Stimmung auf, die aus dem Metall von Fahrradfelgen hergestellt wurden. Diese liegen auf einem hölzernen Hintersteg und einem U-förmigen metallenen Vordersteg auf und werden durch eine dazwischen befindliche metallene Druckklammer fest niedergehalten. Lose um die Lamellen geschlungen sind aus Aludosen gefertigte Rasselringe, die beim Spiel mitschwingen und der lukeme ihren typischen, leicht scheppernden Klang verleihen, darüber hinaus aber auch die Funktion der Klangverstärkung haben. Die Resonanzbox, auf der die Lamellen befestigt sind, ist aus Brettchen des Baumes oyweluo yago unter Verwendung von Nägeln aus Fahrradspeichen zusammengefügt. Einige Instrumente weisen auf der dem Spieler zugekehrten Seite ein Schallloch auf.
Im Jahre 2012, als das IDP-Camp in Paimol bereits aufgelöst war und die Insassen in ihre Dörfer zurückgekehrt waren, hatte sich auch das lukeme-Ensemble, welches 2008 noch 30 Spieler hatte, stark verkleinert. Eine Aufnahme dieser Gruppe kann hier aufgerufen werden (Aufnahme: Johannes Schmidhofer).
Text und Foto: Ass.-Prof. Mag. Dr. August Schmidhofer