Artistenszepter der Universität Wien

Artistenszepter der Universität Wien

Wien, älteste Teile um 1385–1395, Blattdolde aus späterer Zeit
Silber, teils feuervergoldet, Holzseele
Gesamthöhe: 143,5 cm, Figur: 8 cm
Zahlreiche Restaurierungen und Restaurierungsvermerke. 2008/09 wurde eine Generalsanierung durchgeführt und eine Replik angefertigt. Das bis dahin verwendete Original liegt nun im Archiv der Universität Wien


Das Wiener Szepter der Artisten ist ein bedeutendes Dokument des materiellen und immateriellen Kulturerbes der Universitätsgelehrten. Es ist nicht nur das älteste erhaltene Szepter der Wiener Universität, sondern das älteste erhaltene Szepter einer artistischen Fakultät und eines der ältesten Szepter mit einer freistehenden Figur.

Die Forschung hat bisher die sehr hochwertige Statuette der heiligen Katharina mit stilistischen Argumenten um 1400 datiert. 2008 brachte eine Restaurierung im Inneren des Hohlstabes eine Holzseele zum Vorschein, die ganz sicher Teil eines älteren Stabes war. Auffällig ist, dass dieses Relikt den Hohlstab nicht bis ganz unten ausfüllt; es scheint, dass das gesamte ursprüngliche Szepter kürzer und schlanker war. Seine über die Zeit wachsende Signifikanz forderte offenbar ein größeres Format und mehr Stabilität. Das heutige Erscheinungsbild wird von seiner bemerkenswerten Länge von 143,5 Zentimetern bestimmt, die selbst die Länge des Rektorszepters übertrifft. Fünf aufwändig gravierte Knäufe gliedern den sechskantigen Hohlstab in vier gleiche Kompartimente.

Unverhältnismäßig fein und zierlich - keineswegs auf Fernsicht berechnet - wirkt die Gestalt der Katharina. Mit einer Körperlänge von nur acht Zentimetern bildet sie über den raumgreifenden doppelten Blätterdolden das eigentliche Haupt des Stabes. Das miniaturhafte Format ist ein Reflex auf das preziöse Goldschmiedewerk der ursprünglichen Insignie. Im Wachsausschmelzverfahren ist die Figur einem Modell abgeformt und dann bis auf die sichtbaren Körperpartien von Gesicht und massiven Händen in Feuervergoldung zu Glanz gebracht. Auf einem sechseckigen konischen Knauf, der von einem Kranz stilisierter Lilien umzogen wird, erhebt sie sich ruhigen Standes, die schmale Spitze ihres zierlichen Fußes taucht unter dem Saum hervor. Ein zartes, fast unmerkliches Auf- und Abschwingen des Körpers um seine Achse findet ein verstärkendes Echo in den auf- und abwogenden Falten und ihren Kaskaden. Massiv sind Hände und Marterwerkzeuge, die die Heilige präsentiert: Feuerrad und ehemals ein Schwert. Schon im 19. Jahrhundert war es verloren und wurde seitdem nicht ersetzt.

Verwendung fand das Szepter bei feierlichen Versammlungen des Universitätskörpers, etwa bei Sponsionen, Promotionen, Bakkalaureatsfeiern oder jenen Schaudisputen, die seit 1385 am 25. November in der Stephanskirche stattfanden. Dies war der Tag der Patronatsheiligen der Artisten, der hl. Katharina von Alexandrien. Insofern der Aufbau der frühen Universität von den Artisten geleistet wurde, wuchs der Heiligen eine zentrale Identifikationsrolle für die gesamte Universität zu. Seit Heinrich von Langensteins (1325–1397) Katharinenpredigt von 1396 bis in die frühe Neuzeit hinein galten ihr deshalb zahlreiche Reden aus der Feder der Universitätsangehörigen. Salomonische Weisheit wird der "famossisima magistra arcium" zugesprochen. Sie profiliert sich als Führungspersönlichkeit, die jungen Studenten auf den rechten Weg hilft. Wissenschaftlicher Intellekt, moralische Integrität und Enthaltsamkeit sind ihre großen Stärken. Zu diesem Zeichen wird sie mit einer dreifachen Krone bedacht.

Die hohe künstlerische Qualität und das Motiv des langen geflochtenen Zopfes, der an die Insignie des goldenen Zopfordens erinnert, lassen vermuten, das Albrecht III. (1350–1395) das Artistenszepter gestiftet hat. Der Zopforden  gilt als der österreichweit älteste Orden und wurde um 1377 von Albrecht III. gegründet. Vermutlich war es eine Reise zum Hochmeister des Deutschen Ordens, die den Gründungsanlass zu Ehren der drei heiligen Jungfrauen gegeben hatte. Eine von ihnen war die heilige Katharina. Wie sehr sich Albrecht III. mit dieser Insignie identifizierte, zeigen Darstellung seiner Person mit dem Zopforden, etwa im Rationale divinorum officiorum des Gulielmus Durantis (1230–1296) (Wien, ÖNB, Cod. 2765). Albrecht III. war es 1384 gelungen, mit einem Privileg zur Errichtung einer katholischen Fakultät, die Hochschule in den Rang einer Volluniversität zu heben. Mit dem Bau des Collegium Ducale wurde dem alten Bildungszentrum um St. Stephan nun ein eigenes neues Forum am Stubentor gegenübergestellt. Dass ein erstes Artistenszepter in diesem Zusammenhang in Auftrag gegeben worden ist, scheint sehr plausibel. Es passt auch in das Bild einer Persönlichkeit, der an dem Prestige eines weisen Herrschers gelegen war.

Ausstellungshinweis:

Das Szepter ist ab 06. März 2015 im Rahmen der
Jubiläums-Ausstellung 
"Wien 1365. Eine Universität entsteht" zu sehen:

Ort: Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
Adresse: Josefsplatz 1, 1010 Wien
Öffnungszeiten: Di–So 10.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr
Dauer der Ausstellung: 06.03.2015–03.05.2015

Ausstellungsfolder (pdf, 386 KB)
Wissenschaftliches Begleitprogramm (pdf, 81 KB)

Zur Ausstellung erscheint ein Begleitkatalog:
1365 - Eine Universität entsteht 

Text: Mag. Heidrun Rosenberg, Fotos: Karl Pani und René Steyer