Maulwurf-Skelett

Maulwurf-Skelett

Montiertes Skelett von Talpa europaea (Maulwurf)
Fundort: Baden bei Wien
Länge des Oberarmknochens: 17 mm
Inv.-Nr.: IPUW 7708
Aus der Kleinsäugersammlung der Paläontologischen Sammlung


Wie kein anderes heimisches Säugetier ist der Maulwurf an eine grabende Lebensweise angepasst. An dem präparierten Skelett fallen die großen, ausgesprochen kräftigen Vorderbeine auf, die eine Reihe von Spezialanpassungen aufweisen. Vor allem der Humerus (Oberarmknochen), ist sehr ungewöhnlich gebaut: Er ist stark verbreitert und besitzt sehr große Ansatzflächen für die verschiedenen Muskeln und Sehnen, die ihn bewegen. Damit ist er der deutlich massivste Extremitätenknochen im ganzen Skelett. Der caput humeri (Gelenkfläche zum Schulterblatt) ist länglich und nach außen versetzt, wodurch der seltsam geformte Knochen nach außen orientiert ist. Zusätzlich gibt es ein Gelenk zwischen Schlüsselbein und Oberarmknochen. Daher stehen beim Maulwurf die Vorderbeine nicht unter dem Körper, sondern vorne seitlich davon. Auch die Unterarmknochen sind deutlich massiver als ihre Gegenstücke in den Hinterbeinen. Die Hände des Maulwurfs sind sehr groß und verfügen über einen zusätzlichen Knochen, der wie ein weiterer Finger wirkt und die Fläche der Grabschaufeln erhöht.

Der ganze Körper ist walzenförmig und gut geeignet, um in engen Gängen zu manövrieren. Um in seinem Gangsystem die eigene Lage im Raum gut einschätzen zu können, hat der Maulwurf besonders gut ausgebildete Bogengänge im Innenohr, das als Gleichgewichtsorgan dient. Abgesehen von den am Skelett sichtbaren Anpassungen hat der Maulwurf kleine Augen, ein sehr schlechtes Sehvermögen, keine äußeren Ohrmuscheln, dafür aber ausgeprägte Tasthaare. Gehör und Geruchssinn sind sehr gut ausgeprägt. Da er sich vorwärts und rückwärts rasch durch seine Tunnel bewegt, hat das Fell im Gegensatz zu den meisten Säugetieren keinen Strich, d.h. keine bevorzugte Richtung, in der alle Haare liegen.

Mit Hilfe seiner gewaltigen Arme gräbt der Maulwurf ein komplexes Tunnelsystem, das mehrere Meter tief ist und sich über viele Quadratmeter erstrecken kann. Innerhalb dieses Tunnelsystems leben sie als Einzelgänger. Zur Versorgung mit Frischluft legen sie verschieden hohe Hügel an den Ausgängen an, von denen sie auch ihren Namen haben: Maulwurf kommt von Mull, also Erde, sodass Maulwurf in etwa „Erdwerfer“ bedeutet. Wie an den spitzen Zähnen ersichtlich, ist der Maulwurf ein Insektenfresser; tatsächlich ist er mit Spitzmäusen und Igeln verwandt. Die Zähne sind sehr hoch und zeigen ein relativ urtümliches Muster an Graten und Höckern, das als "dilambdodont" bezeichnet wird. Der Maulwurf ernährt sich vor allem von Regenwürmern und Insektenlarven, die er in seinem Tunnelsystem findet. Dabei sammelt er Regenwürmer, die er durch gezielte Bisse bewegungsunfähig gemacht hat, in speziellen Kammern, um sich einen Vorrat anzulegen.

Gezeigt werden hier ein vollständiges Skelett eines rezenten, sprich heute noch lebenden, Maulwurfs sowie ein einzelner Humerus aus dem Pleistozän (Vorderseite, Rückseite: PDF). Obgleich dieser mehrere tausend Jahre alt ist, gleicht er dem Knochen der heutigen Maulwürfe, da sich die Art in dieser Hinsicht nicht verändert hat. Daher ist auch eine Sammlung vorrangig rezenter Kleinsäuger am Institut für Paläontologie sehr sinnvoll. An Hand rezenter, vollständiger und gut präparierter Exemplare verschiedener Tiere ist es möglich, zumindest grobe Bestimmungen fossiler Stücke an Hand von Vergleichen durchzuführen. Da vollständige Kleinsäugerskelette nur sehr selten gefunden werden, erleichtern es komplette Skelette verwandter rezenter Tiere auch, einzelne Fundstücke zuzuordnen. Des Weiteren ist ermöglichen sie es, Studierenden die Vielfalt verschiedenartiger Kleinsäuger nahe zu bringen.

Text: Mag. Dr. Johannes Klietmann, Fotos: Rudolf Gold