Botanische Wandtafel: Geschmückter Gürtelfuß

Botanische Wandtafel: Geschmückter Gürtelfuß

Wandtafel: "Cortinarius armillatus" von Herbert Mauthner, 16. 1. 1984
Vermutlich nach einem Original von Claus Caspari (1911–1980)
[zum Vergleich: siehe Bildleiste ganz unten; hier auch als PDF]

Zeichnung aquarelliert
Material: Papier, Holzstäbe
Maße: B 70,5 cm x H 100,5 cm.
Nr. 46a

Aus der Wandtafelsammlung des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung


Als didaktisches Hilfsmittel waren Wandtafeln - auch im universitären Unterricht - noch bis vor wenigen Jahrzehnten als Trägermedium für die Wissensvermittlung anhand bildlicher Darstellungen selbstverständlich im Gebrauch. Zu Beginn des Digitalisierungsprojektes "Botanische Wandtafeln" konnten wir vor einem Jahr eines der ältesten Beispiele aus diesem Bestand, eine Farblithografie aus 1877/1878, präsentieren. Diesmal hingegen stellen wir eine der zahlreichen handgemalten Tafeln vor. Sie ist wohl zugleich auch das jüngste Exemplar der Gattung Wandtafeln an der Universität Wien.

Der sowohl datierte als auch signierte 'Geschmückte Gürtelfuß' stammt von Herbert Mauthner, von dem wir bislang nur wissen, dass er als junger Laborant einige Zeit am Botanischen Institut der Universität Wien am Rennweg, gleich neben dem Botanischen Garten, gearbeitet hat. Die gezeigte Tafel trägt das Entstehungsdatum 16. Jänner 1984 und läutete damit vermutlich das letzte Jahrzehnt des Mediums Wandtafel ein.

Durch einen Motiv-Vergleich ließ sich der ursprüngliche Natur- und Pflanzenmaler dieser Pilzdarstellung aufspüren: es handelt sich, so vermuten wir, um Claus Caspari (1911–1980) aus München, der seit den 1950er-Jahren viele gängige Bestimmungsbücher u. Ä. für prominente Verlage illustriert hat. Er entstammte einer Künstlerfamilie, denn schon sein Vater Walther Caspari  (1869–1913) - er gehörte der Münchener Jugendstilszene an - war Kunstmaler und Karikaturist, und dessen Schwester Gertrud Caspari  (1873–1948) war eine bekannte deutsche Bilderbuch-Illustratorin.

Auf der, für den Gebrauch im Hörsaal stark vergrößerten, handgemalten Wiedergabe des Casparischen 'Cortinarius armillatus' fehlt natürlich das Signum des Künstlers, das am Original deutlich sichtbar ist: ein großes C mit Punkt in der Mitte, platziert zwischen den Ziffern der Jahreszahl 1963, dem Entstehungsjahr von Herbert Mauthners "Vorlage". Dieses und weitere 179 im Offsetdruckverfahren hergestellte Bilder gehören zu einem umfangreichen Lieferungswerk mit sechs- bis acht-farbigen Pilz-Tafeln in der Größe von 18,5 cm x 26,5 cm, die von 1960 bis 1963 gemalt und zwischen Herbst 1963 und Frühjahr 1965 gedruckt wurden und in drei Lieferungen zu 72 bzw. je 54 Stück erschienen sind. Für die Serie "Mitteleuropäische Pilze" - sie ist Teil einer "Sammlung naturkundlicher Tafeln" des Hamburger Kronen-Verlags Cramer - hatte Claus Caspari mit dem Botaniker Josef Poelt (1924–1995; Nachruf als PDF -Datei), einem aus Bayern stammenden Experten für Flechten, der zuerst in München, dann in Berlin und ab 1972 als Ordinarius in Graz tätig war und dort auch verstorben ist, sowie mit dem Mykologen und Ornithologen Hermann Jahn  (1911–1987), der drei Jahrzehnte lang die "Westfälischen Pilzbriefe" heraus gab, zusammengearbeitet.

Oft hat Claus Caspari  seine Abbildungen 'nach der Natur' gemalt. Sein Sohn Stefan Caspari , selbst Berufsfotograf und Kunstmaler, organisierte im Frühjahr 2011 zum hundertsten Geburtstag seines Vaters (geboren am 11. April 1911) eine kleine Sonderausstellung  mit 50 Orchideen-Gemälden im Botanischen Garten München-Nymphenburg. Im Begleittext zur Ausstellung wurden ihm "für seine meisterhaften Pflanzenporträts Ästhetik und Detail- und Farbtreue" bestätigt.

Was diesbezüglich sein 'Geschmückter Gürtelfuß' - und wohl auch die beiden anderen von Herbert Mauthner wahrscheinlich nach Casparis Originalen gemalten Pilze (Ramaria aurea  = Goldgelbe Koralle und Exobasidium rhododendri  = Alpenrosen-Nacktbasidie) - belegen mögen: umgebende Details beim hier gezeigten Objekt des Monats, etwa das herbstlich vergilbende Birkenblatt und abgefallene Fichtennadeln auf moosig-feuchtem Waldboden, sprechen für genaue Sachkenntnis und eine gelungene Umsetzung in der bildlichen Wiedergabe.

Einer kurzen Beschreibung, beispielsweise in "Knaurs Pilzbuch" aus 1976, einem der vielen ebenfalls von Caspari illustrierten Naturführer und Bestimmungsbücher, das erstmals bereits 1955 erschienen war, entnimmt man nämlich, dass dieser auffallend schöne Blätterpilz mit seinem ca. 10 cm breiten, rotbraun bis fuchsig gefärbten, flach glockenförmigen Hut auf einem etwa 15 cm langen ocker-bräunlichen, fein befaserten Stiel, der im unteren Drittel meist drei zinnoberrote Gürtel trägt, sehr gerne in der Gesellschaft von Birken wächst.
Der 'Geschmückte Gürtelfuß'  gehört zur Gattung der Schleierlinge. In Europa reicht sein Verbreitungsgebiet von Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich im Westen bis Russland im Osten sowie von Spanien und Italien im Süden über Ungarn und die Ukraine bis nach Fennoskandinavien im Norden. In Finnland etwa findet er seine bevorzugten Habitate häufig vor, denn er liebt sauren Boden, Fichten-Birken-Wälder und feuchte Moor-Ränder.
Im Monat September sollte 'Cortinarius armillatus' also nicht nur auf unserer Website, sondern auch 'in natura' des öfteren zu sehen sein. Jung wäre er zwar essbar, gilt aber als Speisepilz von minderer Qualität.

Spannend bleibt nun, ob es gelingen könnte, den Ursprung einiger anderer handgemalter Pflanzen- und Pilz-Tafeln in diesem Bestand ebenfalls ausfindig zu machen: zurzeit stehen sie in Phaidra alle noch in der Sub-Collection "von unbekannter Hand gemalt"  beisammen.

Besonderer Dank für die freundliche Unterstützung bei der Suche sowohl nach Informationen über Herbert Mauthner als auch nach einer Druckausgabe von Casparis Originalen gebührt Kolleginnen und Kollegen vom Archiv der Universität Wien, von der UB der Universität für Bodenkultur in Wien , vom Biologiezentrum Linz  (Teilstandort des OÖ Landesmuseums) und insbesondere Frau Christine Felber von der Fakultätsbibliothek Naturwissenschaften  der Universität Salzburg, die diese Tafel auf schnellstem Wege als PDF-Datei verfügbar machen konnte.

Diese Wandtafel als Digitalisat  in Phaidra.

Alle Digitalisate des laufenden Projektes "Botanische Wandtafeln der Universität Wien" in der Phaidra-Collection o:1018226  (work-in-progress).

Näheres zu den Metadaten auf der Projekt-Seite "Digitalisierung Historischer Wandtafeln".

Literatur:


MITTELEUROPÄISCHE PILZE : 180 Tafeln in 6-8farbigem Offsetdruck nach Originalen von Claus Caspari
Poelt, Josef, 1924-1995 [HerausgeberIn]; Caspari, Claus, 1911-1980 [IllustratorIn]
Hamburg : Kronen-Verl. Cramer, 1963 Exemplare in wissenschaftlichen Bibliotheken des Österreichischen Bibiothekenverbundes  bzw. die 2. Auflage 

ZEITLMAYR, Linus, CASPARI, Claus, STANGL, Johann: Knaurs Pilzbuch. Das Haus- und Taschenbuch für Pilzfreunde. München: Knaur, 1976. [erschien erstmals bereits 1955] Exemplar im Bestand der UB Wien Hier zitiert als ein Beispiel für Casparis frühe und lange andauernde Tätigkeit als naturwissenschaftlicher Illustrator, dessen populäre Bücher in zahlreichen Ausgaben existieren, und die teilweise bis heute aufgelegt werden.
WESTFÄLISCHE PILZBRIEFE [herausgegeben 1957-1986 von Hermann Jahn] Zeitschrift im Bestand der UB Wien - auch als elektronische Ausgabe  verfügbar.

Botanische Wandtafel: Geschmückter Gürtelfuß

Text: Dr.in Margit Sandner, Foto: Digitalisat der Universität Wien, DLE Bibliotheks- und Archivwesen: Sammlungen; Scan: FB NAWI, UB Salzburg