Wandtafel "Apis mellifica II"

Wandtafel "Apis mellifica II"

Apis mellifica II (Honigbiene)
Wandtafel Nr. 30 von Paul Pfurtscheller (1855–1927), 1923
Verlag Martinus Nijhoff, Den Haag
Chromolithografie
Papier auf Leinwand, Holz
Maße: 130 x 140 cm
Aus der Wandtafelsammlung des Departments für Evolutionsbiologie


„Die mir zugesandten Tafeln haben mir große Freude gemacht. Auf den ersten Blick erkennt man den Lehrer, den Fachmann, den Künstler, der sie geschaffen. Nur der Lehrer kennt infolge langjähriger Erfahrung die Bedürfnisse der Schule und weiß, daß es uns an geeigneten Bildern, deren wir selbst bei reichlicher Ausstattung mit Naturobjekten nicht entraten können, mangelt; nur der gediegene Fachmann kennt durch eingehende Studien und vielfache Beschäftigung mit den Objekten das Richtige. Bei den vorliegenden Tafeln vereinigt nun Prof. Pfurtscheller mit dem Verständnis des Lehrers und dem Wissen des Zoologen auch das künstlerische Können. Dieser erste Eindruck, daß die Tafeln nicht nur schön, sondern auch ein ganz vorzügliches Lehrmittel sind, wird nur gefestigt, je länger und je öfter ich sie betrachte“.

Mit diesen lobenden Worten bedankte sich der Naturgeschichtslehrer und Botaniker Anton Schwaighofer (1855–1933) für die Übersendung der ersten von Dr. Paul Pfurtscheller  gezeichneten und herausgegebenen Wandtafeln in großem Format.

Pfurtscheller, am 20. November 1855 in Stadt Salzburg als Sohn des Zollamtsbediensteten Georg und der Kreszentia Pfurtscheller geboren, studierte Naturwissenschaften an der Universität Wien und widmete sich dabei vor allem der Pflanzenanatomie und Pflanzenphysiologie unter Julius Ritter von Wiesner  (1838–1916). 1878 zum Doctor philosophiae promoviert, legte er 1879 in Wien die Lehramtsprüfung aus Naturgeschichte für Obergymnasien sowie Mathematik und Physik für Untergymnasien ab. 1880 bis 1886 wirkte er zunächst als supplierender Lehrer am k.k. Franz-Joseph-Gymnasium in Wien (heute: Gymnasium Stubenbastei) und wechselte dann als provisorischer Lehrer an das Staatsgymnasium Wien-Leopoldstadt. 1889 wurde er als wirklicher Lehrer erneut ans k.k. Franz-Joseph-Gymnasium berufen, wo er bis zu seinem vorzeitigen Übertritt in den Ruhestand im Jahr 1911 unterrichtete. 1926 zum Hofrat ernannt, starb Paul Pfurtscheller am 5. Februar 1927 in seiner Wohnung in Wien-Landstraße, Streichergasse 10.

Pfurtschellers Lebenswerk bildet die Anfertigung von 39 zoologischen Wandtafeln in der Größe von etwa 130 x 140 cm, größere Lehrtafeln waren noch nie zuvor erschienen. 1902 erfolgte der Erstdruck von Taf. 1 bis 5 im Verlag der Buchhandlung und Lehrmittelanstalt A. Pichler's Witwe & Sohn in Wien. Bis einschließlich Tafel 28 (Erstdruck 1914) erschienen die Wandtafeln in Wien, nach dem Ersten Weltkrieg übernahm dann der niederländische Verlag Martinus Nijhoff in Den Haag die Restbestände von A. Pichler's Witwe & Sohn und präsentierte 1923 acht neu bei ihm verlegte Tafeln (Nr. 29 bis 36). Die bisher veröffentlichten 28 Tafeln wurden nachgedruckt. Wandtafel 39 schließlich erschien 1927 posthum vollendet durch den Entomologen Josef Fahringer  (1876–1950) und den Klischeezeichner und Entomologen Hugo May jun. (geb. Wien, 1871). Der wissenschaftliche Wert der Tafeln wurde durch meist als "Begleitwort" bezeichnete Broschüren erhöht. Bis in die 1960iger Jahre waren Pfurtschellers Wandtafeln im Handel erhältlich.

Tafel 30 zeigt unter Fig. 1 ein spätes Larvenstadium, unter Fig. 2 eine Puppe der Honigbiene in rund 65facher Vergrößerung. Darüber thront die eindrucksvolle Darstellung einer Arbeiterbiene in rund 85facher Vergrößerung. Bereits 1904 war auf Tafel 13 eine Honigbiene erschienen, sie zeigte die innere Anatomie und die Mundwerkzeuge eines erwachsenen Tieres. Bei Pfurtschellers Tafeln beeindruckt den Betrachter zunächst die unmittelbare Wirkung auf den ersten Blick. Als Wissenschaftler wusste Pfurtscheller genau, was er wie zeigen wollte, allerdings auch, was er weglassen musste, um diese Unmittelbarkeit zu erzielen. Seine Tafeln sind im Gegensatz zu den zoologischen Wandtafeln von Rudolf Leuckart  (1822–1898) reduzierter an Einzeldarstellungen, wodurch eine Fokussierung auf das Wesentliche erreicht wird.

Als Pädagoge kannte Pfurtscheller die Anforderungen an Lehrmittel für den Biologieunterricht: Die gewählte Tafelgröße gestattete es Schülerinnen und Schülern, selbst in stark besetzten Klassen aus den hinteren Reihen alle Motive gut zu erkennen. Als Künstler schaffte Pfurtscheller den Brückenschlag zwischen einem inspirierenden Lehrmittel und allgemeiner Schönheit der Darstellung und zeichnerischer Perfektion. In den inneren Organen am Sektions-Situs der Taube (Tafel 19, Erstdruck 1907) beispielsweise, spiegeln sich die Fenster von Pfurtschellers Arbeitszimmer und verleihen der Darstellung so eine geradezu unglaubliche Plastizität und ganz eigene Ästhetik (siehe Bild unten). Von zeitloser Qualität wurden seine Wandtafeln sogar in der universitären Lehre eingesetzt und werden heutzutage vor allem wegen ihres künstlerischen Wertes und ihrer historisch-biologiedidaktischen Bedeutung hoch geschätzt.

In der Wandtafelsammlung des Departments für Evolutionsbiologie befinden sich Drucke von insgesamt 26 der 39 erschienen Tafeln Pfurtschellers. Der Großteil davon, nämlich 24 Tafeln, wurde ursprünglich von der Universität Wien angeschafft und über Jahrzehnte in der Lehre eingesetzt. Daneben konnte die Sammlung in den letzten zehn Jahren noch einige Pfurtscheller-Wandtafeln aus aufgelösten Schulsammlungsbeständen übernehmen, wodurch nun insgesamt 34 Stücke vorhanden sind – in vielen Fällen sowohl in Ausgaben von A. Pichler's Witwe & Sohn, als auch von Martinus Nijhoff. Da sich der Bestand über die gesamte Schaffensperiode Pfurtschellers ausdehnt, bietet er einen nicht vollständigen aber durchaus repräsentativen Überblick über dessen Gesamtwerk.

Diese 34 Wandtafeln von Paul Pfurtscheller sind ebenso wie die mehr als 900 weiteren Wandtafeln der Sammlung Gegenstand eines vor Kurzem gestarteten Forschungsprojekts, das die Sammlungskoordinierungsstelle der Universität Wien bei der Akademie der Bildenden Künste  in Auftrag gegeben hat. Das Projekt, das am Institut für Konservierung – Restaurierung  angesiedelt ist und von Mag.a Dr.in Sigrid Eyb-Green geleitet wird, hat eine qualitative Bestandsaufnahme im Hinblick auf Erhaltungszustand und Restaurierungsbedarfe zum Ziel, sowie die Erarbeitung von Empfehlungen für eine konservatorisch gut vertretbare Aufbewahrung am neuen Standort des Biozentrums.

Ausstellungshinweise:

Der Fotograf Stefan Olah hat letztes Jahr die Sammlungen des Departments für Evolutionsbiologie besucht und dabei zahlreiche Fotos gemacht. Diese werden nun in einer noch bis 16. April zu besichtigenden Ausstellung in der Galerie "Rauminhalt" gezeigt:

In einer Sonderausstellung mit dem Titel "Meisterwerke der Naturgeschichte" sind aktuell auch im Haus der Natur Salzburg Wandtafeln von Paul Pfurtscheller zu sehen:

Literatur:

BUCCELLATI, Graziella (1997): Le tavole parietali del Dipartimento di biologia. Patrimonio artistico dell'Università degli studi di Milano.- 206 S., Milano (Università degli studi).

BUCCHI, Massimiano (1998): Images of science in the classroom: wallcharts and science education 1850-1920.- British Journal for the History of Science 31: 161–184.

LANDMANN, Armin (2020): Meisterwerke der Entomologie: Die Zoologischen Wandtafeln von Paul Pfurtscheller.- Entomologica Austriaca 27: 107–135. Online verfügbar in der Zoologisch-Botanischen Datenbank ZOBODAT 

PFURTSCHELLER, Paul (1900): Über neugeplante zoologische Wandtafeln.- Zeitschrift für die Österreichischen Gymnasien 51: 79–81.

STADLMANN, Josef (1925): Professor Dr. Paul Pfurtscheller. Zum 70. Geburtstag des österreichischen Gelehrten.- Reichspost 20.11.1925: 5. Online verfügbar im digitalen Zeitungs- und Zeitschriftenlesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek ANNO 

TUNGER, Christian / MARKERT, Michael / HOßFELD, Uwe (2012): Alte Lehrmittel – neu entdeckt. Die Wandtafelsammlung der Speziellen Zoologie in Jena.- Annals of the History and Philosophy of Biology 17: 333–352.

Wandtafel "Apis mellifica II"

Text: Mag. Matthias Svojtka, Mag. (FH) Mehran Djawadi, Mag.a Claudia Feigl, MAS, Mag. Simon Engelberger; Fotos: Foto Leutner (Wien), Mag. (FH) Mehran Djawadi