Manuskript aus dem Teilnachlass von Maximilian Hell

Manuskript aus dem Teilnachlass von Maximilian Hell

Erste Seite der deutschen Version der Historia Uraniae Musae, um 1780
Aus dem Teilnachlass von Maximilian Hell (1720–1792)
Manuskript, Tinte auf Papier
Archivsignatur: Astr.-NL-2.59
Aus Archiv und Nachlass-Sammlung der Universitätssternwarte Wien


Im Archiv der Wiener Universitätssternwarte (heute: Institut für Astrophysik der Universität Wien) liegt der Nachlass von Maximilian Hell  (1720–1792), der ab 1755 deren erster Direktor war. Einen Großteil des Nachlasses bilden Aufzeichnungen, die er während seiner Reise zur Beobachtung des Venustransits im Jahr 1769 gemacht hat. Es findet sich dort aber auch ein Gedicht in deutscher Sprache („Die Geschichte der unter die Planetengestirne erhobenen Muse Urania“), das mit der Benennung des Planeten Uranus  nach seiner Entdeckung in Zusammenhang steht. Uranus wurde von dem Astronomen William Herschel  (1738–1822) am 13. März 1781 im Sternbild Zwillinge entdeckt. Die Entdeckung war eine wissenschaftliche Sensation, denn die seit der Antike bekannten weiteren Planeten (Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn) waren immer schon mit freiem Auge zu sehen gewesen, wo hingegen für die Entdeckung von Uranus ein Fernrohr nötig war. Herschel hielt seine Entdeckung allerdings zuerst für einen Kometen, der Berliner Astronom Johann Elert Bode  (1747–1826) hatte jedoch seine Zweifel und durch zusätzliche Beobachtungen bestätigte sich, dass es sich bei dem Himmelskörper nicht um einen Kometen oder Fixstern, sondern um einen Planeten handelte.

Nachdem diese grundlegende Frage geklärt war, entbrannte ein weiterer Zwist, nämlich um die Benennung. Die anderen Planeten trugen ihre Namen schon seit der Antike – ursprünglich hatten Astronomen aus Mesopotamien den Wandersternen die Namen einiger ihrer Gottheiten gegeben. Die Griechen übernahmen diese Nomenklatur und glichen die mesopotamischen Gottheiten ihren eigenen an (so wurde beispielsweise die Liebesgöttin Ischtar zur griechischen Aphrodite und der Göttervater Marduk zum griechischen Zeus). Von den Griechen übernahmen dann in weiterer Folge die Römer die Namen (aus der griechischen Aphrodite wurde die römische Venus und aus dem Göttervater Zeus der römische Jupiter) und so sind sie uns bis zum heutigen Tage in ihrer lateinischen Variante bekannt.

Für die Benennung des neu entdeckten Planeten gab es einige Vorschläge, auch von Maximilian Hell. Er schlug jedoch nicht nur einfach einen Namen vor, sondern verfasste im Jahr 1786 ein dazu passendes lateinisches Gedicht: „Lis Astronomorum“ (vollständiger Titel: „Lis Astronomorum de Nomine quo Planeta recens anno 1781 die 13 Martii Aquis Solis (Bathe) in Anglia a D. Herschel optico celeberrimo detectus, appelendus sit“, zu deutsch: „Der Streit der Astronomen über den Namen, mit dem der am 13. März 1781 in Bath in England von Herrn Herschel, dem berühmten Optiker, entdeckte Planet benannt werden soll“). In diesem Gedicht präsentiert er nicht nur seinen eigenen Namensvorschlag („Urania“), sondern er nennt auch Gründe, weshalb einige andere Vorschläge europäischer Astronomen abzulehnen seien. So sei beispielsweise der Vorschlag von französischen Astronomen, den Planeten „Herschel“ zu nennen, deshalb unglücklich, da der Astronom Charles Messier  (1730–1817) bekanntlich viele nebelige Objekte entdeckt hat und man diese nicht alle „Messier“ benennen könne und daher auch für einen Planeten der Name des jeweiligen Entdeckers nicht geeignet ist. Dananch bringt Maximilian Hell Argumente für seinen eigenen Vorschlag – überraschenderweise auch ein feministisches: am Himmel gäbe es vier männliche Planeten (Merkur, Mars, Jupiter, Saturn), aber nur drei weibliche (Venus, Sonne und Mond, die damals noch zu den Planeten zählten) und dieses Ungleichgewicht gelte es auszugleichen.

Im Umfeld von Maximilian Hell gab es einen weiteren Jesuiten, der ebenso wie Hell eine poetische Ader hatte und von dem ein weiteres Gedicht überliefert ist, das zur gesamten Thematik von der Entdeckung bis zum Namensstreit passt: die „Historia Uraniae Musae“ (zu deutsch: „Die Geschichte der Muse Urania“) von György Alajos Szerdahely  (deutsch: Georg Alois Szerdahely, 1740–1808). Es behandelt die Geschichte der Muse Urania und wie sie an den Himmel kam und geht damit davon aus, dass sich der Namensvorschlag von Maximilian Hell durchsetzen werde. In diesem Gedicht beschwert sich die Muse Urania bei Phoebus, dem Sonnengott, dass sie als Muse der Astronomie am Himmel keinen eigenen Platz habe. Phoebus bespricht sich mit Uranus, dem Himmelsgott, und dieser gewährt ihr den Platz hinter Saturn, der sich aber dadurch, dass er nun als höchster Planetengott just von einer Frau abgelöst wird, erbost zeigt und Urania zu den Fixsternen vertreibt. Nach langer Zeit führt William Herschel sie nun an ihren rechtmäßigen Platz und Maximilian Hell gibt ihr ihren ursprünglichen Namen zurück.

Der oben im Zusammenhang mit der Entdeckung erwähnte Johann Elert Bode war es übrigens, der jenen Namen vorschlug, den der Planet bis heute trägt: Uranus. Weder er noch Maximilian Hell erlebten den Ausgang der Entscheidung, denn bis in die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts trug der Planet in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Namen – in England: "Georgium Sidus", also "Georgsstern", in Frankreich: "Herschel".

Weiterführende Literatur:

Per Pippin Aspaas, László Kontler: Maximilian Hell (1720–92) and the ends of Jesuit science in Enlightenment Europe. Leiden: Brill 2019 (=Jesuit Studies 27). (Digital verfügbar) 

Ellis D. Miner: Uranus: the Planet, Rings and Satellites. Chichester, West Sussex: Wiley 1994. Exemplar im Bestand der UB Wien

Nora Pärr: Maximilian Hell und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des 18. Jahrhunderts. Nordhausen: Bautz 2013 (= Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit, Bd. 14). Exemplar im Bestand der UB Wien

Manuskript aus dem Teilnachlass von Maximilian Hell

Text: Doris Vickers, unter der Mitarbeit von ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Elisabeth Klecker, Mag.a Isolde Baum und Günter Brauhöfer