Faksimile des "Codex Yuta Tnoho"

Faksimile des "Codex Yuta Tnoho"

Nachdruck mit Begleitpublikation in Schuber
Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz (1963)
Maße: 30 x 25,5 cm (geschlossen)
Signatur: Stenzel/Cod.9,1 (Codex) und Stenzel/Cod.9,2 (Begleitheft, engl.)
Aus der Fachbereichsbibliothek Kultur- und Sozialanthropologie


Um einen – nicht nur in kulturgeschichtlicher, sondern auch in forschungsgeschichtlicher Hinsicht hochinteressanten – Gegenstand handelt es sich bei vorliegendem Objekt: einem originalgetreuen Faksimile des "Codex Yuta Tnoho" (früher: "Codex Vindobonensis Mexicanus I"). Es kam im Rahmen einer 2019 erfolgten Schenkung von Wolfgang Stenzel († 2021) an die Fachbereichsbibliothek Kultur- und Sozialanthropologie, die die gesamte Privatbibliothek des bis 2019 am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie lehrenden Ethnologen umfasste. Wolfgang Stenzel wurde 2001 die Lehrbefugnis für "Altamerikanistik" an der Universität Wien erteilt, seine Forschungsschwerpunkte bildeten die Rekonstruktion der mesoamerikanischen Religion, der Kulturwandel nach der spanischen Eroberung und die Entstehung einschlägiger Quellen des 16. Jahrhunderts.

Bei den Originalen der altmexikanischen, aus eurozentrischer Perspektive „Bücher“ oder „Codices“ genannten Schriftwerken, handelt es sich in der Regel um mehrere Meter lange, aus Leder oder pflanzlichem Material gefertigte Leporellos, die in Zickzack-Faltung zusammengelegt und mit einer Vielzahl abstrakter Zeichen, Symbole und stilisierter Figuren beschrieben wurden. Der hier als Faksimile gezeigte Codex wurde nach heutigem Wissensstand von den im Hochland des mexikanischen Bundesstaats Oaxaca beheimateten Mixteken angefertigt und gelangte schon um 1519, zusammen mit dem als "Federkrone des Moctezumas" betitelten Penacho, als spanisches Beutestück des Hernán Cortés (1485–1547) in die Hände des spanischen Königs Karl V. (1500–1558), welcher die Schrift 1520 an König Manuel I. (1469–1521) von Portugal weiterreichte. Es folgte eine Reihe von Schenkungen des Codex durch die Ränge der europäischen Geistlichkeit und Adelshäuser, wodurch er schließlich nach Bayern und weiter nach Sachsen gelangte, von wo er um 1678 als Schenkung an die kaiserliche Hofbibliothek nach Wien gelangte. Aufgrund seines Aufbewahrungsortes erhielt er den Namen Codex Vindobonensis Mexicanus I.

Der in jüngster Zeit vergebene indigene Name „Yuta Tnoho“ bezieht sich auf den in der Schrift gezeigten Abstammungsort der Mixtekischen Ahnen. Der Codex in seiner heutigen Deutung zeigt in 52 Seiten auf seiner Vorderseite zunächst eine mixtekische Schöpfungsgeschichte mit der Geburt des Gottes „9-Wind“. Die Rückseite mit 13 Seiten präsentiert die Genealogie der Dynastie von Tilantongo. Die Interpretation des Codex war lange Zeit eine heiß debattierte Forschungsfrage und wurde schließlich von Eduard Seler (1849–1922), Damian Kreichgauer (1859–1940) und Friedrich Röck (1879–1953) dem Kreis der astralmythologischen Werke zugeordnet. Dies wurde zwar später, unter anderem von Röcks Schüler Karl Anton Nowotny (1900-1972), widerlegt, aber etliche wesentliche Erkenntnisse über die Darstellungen haben bis heute Gültigkeit.

Die 400 Bücher umfassende Schenkung Werner Stenzels an die Fachbereichsbibliothek Kultur- und Sozialanthropologie wurde im Rahmen eines Abschlußprojekts "Altmexikanische Handschriften - erfassen und ausstellen" im Universitätslehrgang Library and Informations Studies von Silvia Hanak, Julia Pflug und Mag. Benedikt Wallner unter der Projektleitung von Mag.a Birgit Kramreither aufgearbeitet sowie eine kleine Ausstellung konzipiert, die noch diesen Sommer am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie eröffnet werden wird.

Faksimile des "Codex Yuta Tnoho"

Text: Mag. Benedikt Wallner; Foto: ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kraus