Trichter-Bromelie

Trichter-Bromelie

Tillandsia australis
Pflanzenfamilie: Bromeliengewächse (Bromeliaceae)
Aus dem Botanischer Garten der Universität Wien
Standort: Tropenhaus


Im Botanischen Garten der Universität Wien blüht derzeit eine riesige Trichter-Bromelie, die vor 40 Jahren in Bolivien gesammelt wurde. Inzwischen ist sie zu einer gewaltigen Pflanze herangewachsen: der Blatt-Trichter misst weit über einen Meter. 2021 hat der verantwortliche Gärtner im Zentrum dieses Trichters Anzeichen eines sich entwickelnden Blütenstands entdeckt. Ende 2021 wurde die Pflanze aus den Forschungs-Gewächshäusern in das öffentlich zugängliche Tropenhaus gestellt, damit die GartenbesucherInnen an dem Ereignis teilhaben können.

Es handelt sich um die Art Tillandsia australis. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Süd-Bolivien bis ins nördliche Argentinien. Dort wächst sie auf einer Meereshöhe von 700 bis 3.900 Metern an Felswänden, aber auch epiphytisch auf Gehölzen. 1919 wurde die Art Tillandsia australis für die Wissenschaft beschrieben. Das Exemplar, anhand dessen diese Beschreibung erfolgt ist, wurde 1873 in Argentinien gesammelt und wird als Referenz in Form eines Herbarbeleges in der Miguel Lillo Foundation (Tucumán, Argentinien) aufbewahrt.

Die Bromelien-Forschungssammlung des Gartens umfasst über 3.000 Pflanzen und ist damit eine der größten Sammlungen dieser Art weltweit. Das Individuum, das nun zur Blüte kommen wird, ist seit 1982 Bestandteil der Sammlung. Diese Tillandsia australis stammt von einer Sammelreise, die 1982 von einem Mitarbeiter des Instituts für Botanik der Universität Wien durch Südamerika durchgeführt wurde. Die Wiener Bromelien-ForscherInnen gehen vor allem der Frage nach, wie die verschiedenen Bromelien-Arten miteinander verwandt sind und wie sie im Laufe ihrer Evolution den südamerikanischen Kontinent besiedelt haben. Als Ergebnis dieser Untersuchungen stellt sich immer wieder heraus, dass es weitere, noch unbeschriebene Arten gibt – die zum Teil in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens kultiviert werden! Speziell aus der näheren Verwandtschaft der demnächst blühenden Tillandsia australis sind noch Neu-Entdeckungen zu erwarten. Die Untersuchungen erfolgen aufgrund von Blattproben, aus denen die DNA der Individuen extrahiert wird. Anhand dieser Proben lässt sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Art, sogar manchmal die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Population einer Art ableiten. Lassen sich die DNA-Proben keinen bereits bekannten „Mustern“ zuordnen, liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine neue Art handeln könnte.

Bromelien sind im weitesten Sinne mit Gräsern verwandt. Deutlich erkennbar ist dies am Aufbau des Blütenstandes. Er wirkt wie eine riesenhaft vergrößerte Blüte eines Süß-Grases. Die prominenteste Bromelie ist die Ananas. Auch sie bildet Blatt-Trichter aus, aus deren Mitte der Blütenstand entspringt. Viele Trichter-Bromelien investieren all ihre Energie in die Bildung eines Blütenstandes. Dazu werden unter Umständen Jahrzehnte benötigt. Die Pflanze muss in Form von Blatt-Masse erhebliche Reserven aufbauen, um, wie im Fall der Tillandsia australis, einen über zwei Meter langen Blütenstand zu entwickeln. Blühende Exemplare von Tillandsia australis haben bis zu einem Meter lange Blätter. Bei vielen Arten stirbt die Mutter-Rosette nach der Blüte ab, sie hat sich damit vollkommen verausgabt. Bei manchen Arten werden während oder nach der Blüte an der Basis der Mutter-Rosette Kindel gebildet, die genetisch ident mit der Mutter sind. War die Bestäubung erfolgreich, gibt es zusätzlich unzählige kleine, mit Haaren ausgestattete und deshalb flugfähige Früchte. So sorgt die Pflanze einerseits für das Fortbestehen an dem ursprünglichen Platz, aber auch für eine weitere Verbreitung und Neubesiedlung von geeigneten Standorten.

Die Blüte der Tillandsia australis wird sich über Wochen hinziehen und ist im Tropenhaus des Botanischen Gartens zu den Öffnungszeiten des Gartens zu erleben.

Trichter-Bromelie

Text und oberes Foto: DIin Barbara Knickmann; Fotograf des unteren Fotos: Rudolf Hromniak