Skioptikon-Dia "Asplanchna priodontata"

Skioptikon-Dia "Asplanchna priodontata"

Glasdia einer Zeichnung von Adolf Kasper (1863–1935), zwischen 1920–1924
Fotograf*in unbekannt
Maße: 8 x 8 cm
Inv.-Nr.: LS-1284
Aus der ehemaligen Lehrdiasammlung der Zoologischen Sammlung des Departments für Evolutionsbiologie


Das Motiv stammt aus einem Artikel des Zoologen Otto Storch (1886–1951), der 1924 in der Zeitschrift "Zoologische Jahrbücher" veröffentlicht wurde. Abgebildet sind verschiedene Stadien eines amiktischen Eies von Asplanchna priodonta, bei dem es sich um eine Art der Gattung der Asplanchna aus dem Stamm der Rädertiere handelt. Storch versucht in diesem Artikel zwei Fragen zu beantworten: „Gibt es einen morphologischen Unterschied zwischen den amiktischen und miktischen Weibchen? Welche cytologischen Unterschiede bestehen zwischen den amiktischen und miktischen Eiern?“ (Storch, (1924), S. 322). Dieser Artikel ist Storchs einziger Text über Rädertierchen. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt vor dem ersten Weltkrieg lag auf der Biologie der Meerestiere, insbesondere der marinen Borstenwürmer. Während seines Zoologie-Studiums verfügten die Wiener Zoologischen Institute Zugang zur Meeresstation in Triest. Jedoch verlor Österreich nach dem ersten Weltkrieg jegliche Zugänge zu Meeresküsten, was Storch dazu bewegte, sich fortan auf die Süßwasserbiologie zu konzentrieren. Die Faszination der Biologie mariner Lebewesen ließ ihn aber nie wirklich los, so versuchte Storch während seiner Amtszeit als Vorstand des Zoologischen Instituts in Wien – 1945 bis zu seinem Tod 1951 – eine Verbindung zum Meer zu schaffen. Es wurde daraufhin ein Arbeitsplatz an der Zoologischen Station Neapel gemietet, der von Storch jedoch nie genutzt wurde.

Aus dem Artikel geht auch hervor, dass Storch an seinen Untersuchungen zu den Rädertieren sowohl am II. Zoologischen Institut in Wien als auch in der Biologischen Station Lunz gearbeitet hat. Die Biologische Station in Lunz (Niederösterreich) wurde 1905 von Karl Kupelwieser (1845–1925) gegründet und sollte Forschung für Wissenschaflterinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen ermöglichen (Botanik, Zoologie, Meteorologie, Geologie etc.). Zudem wurden auch zoologische Universitätskurse vor Ort abgehalten. Während des ersten Weltkrieges wurde die Forschungsstation in Lunz geschlossen und 1920 unter schlechten Umständen wiedereröffnet: es mangelte an Geld, daher konnten Gehälter nicht gezahlt und Forschungsmaterialien, wie Geräte und Literatur, nicht angekauft werden. In dieser Zeit dürfte Otto Storch in Lunz seine Forschungen über die Rädertiere betrieben haben: das Material dafür hat er im Mai bzw. im Oktober 1920 aus einem zwischen Kahlenbergerdorf und Nussdorf gelegenen Gewässer gesammelt (vgl. Storch, (1924), S. 325). Der fertige Artikel erschien 1924. Möglicherweise waren es diese Umstände, die Storch nicht weiter an seinen vielsprechenden Forschungen zu Rotatorien arbeiten ließen. 1923 wurde von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (der Vorgängerin der heutigen Max-Planck-Gesellschaft) und von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der Verein Biologische Station Lunz gegründet, der zukünftig die Kosten der Station tragen sollte. Ein Jahr später wurde die Station von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der Wiener Akademie der Wissenschaften im Rahmen der ersten Kuratoriumssitzung des Vereins übernommen. 2003 wurde die Biologische Station in Lunz geschlossen. 2011 wurden die Gebäude unter dem Namen WasserCluster Lunz neu eröffnet und ist dadurch bis heute ein Zentrum ökologischer Forschung und Lehre.

Insgesamt wurden für Otto Storchs Artikel vier Tafeln gezeichnet, wobei es sich bei dem oben gezeigten Motiv um die Tafel Nr. 15 handelt, die von Adolf Kasper (1863–1935) gezeichnet wurde. Adolf Kasper wurde am 17. Mai 1863 in Reichenberg, dem heutigen Liberec in Tschechien, geboren. 1884 erlangte er die Hochschulreife am dortigen Oberreal-Gymnasium. Schon in jungen Jahren erkannte man Kaspers zeichnerisches Talent, dennoch studierte er Medizin an der Deutschen Universität in Prag, an der er die Vorprüfungen aus Zoologie, Mineralogie und Botanik sowie zwei Rigorosen im Fach Medizin abschloss. Ab dem Wintersemester 1904/1905 bis 1933 unterrichtete Adolf Kasper als „Lehrer für naturwissenschaftliches Zeichnen“ am II. Zoologischen Institut in Wien. Doch schon davor fertigte Kasper für Professoren verschiedener Disziplinen an der Universität Wien Zeichnungen für deren Publikationen an. So zeichnete Kasper etwa einige makroskopische Abbildungen für Berthold Hatscheks (1854–1941) und Carl Coris (1896–1984) "Elementarcurs der Zootomie in fünfzehn Vorlesungen" aus dem Jahr 1896. Eine weitere Publikation in der Kasper als Zeichner genannt wird ist das 1902 veröffentlichte "Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere" von Karl Camillo Schneider (1867–1943). Wie auch im obigen Motiv, zeichnete Kasper für Schneiders Lehrbuch mikroskopische Abbildungen.

Ab dem Sommersemester 1920 erhielt Kasper die Stelle als Präparator und Zeichner beider Zoologischen Institute der Universität Wien. Kasper fertigte in seiner Zeit an der Universität Wien Zeichnungen für weitere Publikationen von Professoren an und auch solche, die für die Lehre verwendet wurden. So enthält ab der siebten Auflage des Lehrbuchs der Zoologie, das von Carl Claus (1835–1899) begründet und 1905 von Karl Grobben (1854–1945) neubearbeitet wurde, Abbildungen, die von Adolf Kasper stammen. Aber auch für die Anfertigungen von Abbildungen in anderen wissenschaftlichen Disziplinen als die Zoologie, ist Kasper verantwortlich. Neben Zeichnungen aus den Gebieten der menschlichen Anatomie und Medizin fertigte Kasper auch Arbeiten aus der Botanik an. Seine wohl größte Leistung war die Anfertigung von über 3.000 Textabbildungen für das zweibändige "Handbuch der Systematischen Botanik" von Richard Wettstein (1863–1931), dessen erster Band erstmals im Jahr 1901 und der zweite Band 1903–1908 erschienen ist. Auch bei den zwei darauffolgenden Auflagen 1911 und 1924 war Kasper als Zeichner beteiligt. Vorlagen für jene Abbildungen waren laut Wettstein Kopien aus wissenschaftlichen Arbeiten, Kasper zeichnete für das Handbuch jedoch auch Originale nach der Natur.

Adolf Kasper verwendete für die Anfertigung der Zeichnungen für Otto Storchs Artikel einen sogenannten Abbe'schen Zeichenapparat. Dieser Apparat machte eine wissenschaftlich sehr genaue Übertragung von durch das Mikroskop betrachteten Präparaten auf Zeichenpapier möglich. Jedoch ist diese Vorgangsweise kompliziert und aufwendig. Der Abbe’sche Zeichenapparat wurde bis ca. in die 1930er-Jahren, wenn nicht sogar bis zum zweiten Weltkrieg verwendet. Danach wurde dieses Instrument vom Zeichentubus abgelöst. Dieser war besonders gut geeignet, um die Umrisse und die Proportionen des mikroskopischen Präparats zu zeichnen. Währenddessen wurden immer wieder Versuche unternommen, die Mikroskopbilder zu fotografieren, das erste Mal im Jahr 1902. Eine spannende Frage stellt sich dahingehend: wieso ließ Storch Adolf Kasper die Abbildungen zeichnen, obwohl die Mikrofotografie zur Entstehungszeit des Artikels, zwischen 1920 und 1924, schon möglich war? Bis in die 1950er-Jahren wurden mikrofotografische Aufnahmen in Zeitschriften seltener als Zeichnungen abgedruckt (vgl. Bradbury, (1994), S. 292). Hier kann nur spekuliert werden, wieso Kasper als Zeichner engagiert wurde: möglicherweise war es zu teuer, um mikrofotografische Abbildungen aufnehmen zu lassen (man denke hier auch an die Biologische Station Lunz, die zu dieser Zeit keinerlei Finanzen für wissenschaftliche Ausrüstung hatte) oder auch der Verlag sprach sich für Zeichnungen und gegen Fotografien aus.

Für Lehrzwecke wurden alle vier Motive des Artikels von Otto Storch auch auf Glasplattendias abgedruckt und bilden somit die damaligen Lehrinhalte ab. Die dazugehörigen Karteikarten erwecken den Eindruck, dass die Abbildungen schon vor der Veröffentlichung von Storchs Artikel auf Glasplattendias abgedruckt wurden: für das Dia 1284 gibt es zwei Karteikarten, auf beiden sind neben Anmerkungen auch Bilder der Motive zu sehen. Die Karteikarte 525 dürfte einen Tafelentwurf für Storchs Artikel zeigen, während die Karteikarte 521 das exakte Motiv wie jenes auf dem Dia 1284 abbildet. Dadurch kann davon ausgegangen werden, dass zu dieser Zeit höchstaktuelle Forschungsergebnisse in der Lehre gezeigt und vermittelt wurden.

Dieses Glasplattendia war neben weiteren Dias und auch anderen Objekttypen (Dia-Negative, Kleinbilddias, Tafeln und Karteikarten) Teil unseres Abschlussprojekts das wir im Rahmen des Universitätslehrgangs Library and Information Studies durchführten. Unsere Aufgabe war es, die vorhandenen Objekte digital zu erschließen. Dabei recherchierten wir die Provenienzen der Objekte und versuchten herauszufinden, welche Motive von Adolf Kasper stammen. Für die Erschließung und Beschreibung der Objekte haben wir Metadatenstandards des Audubon Core verwendet, der sich für die Beschreibung von Beständen aus dem Bereich der Biodiversität eignet, sowie das Vokabular der fachspezifischen Ontologie Uberon, welche einen Großteil der anatomischen Nomenklatur detailliert in englischer Sprache wiedergibt.

Die Motive des bearbeiteten Glasplattenbestandes zeigen nicht nur die zeichnerischen Fähigkeiten Kaspers im Gebiet des naturwissenschaftlichen Zeichnens – insbesondere, da der Verbleib der Originalzeichnungen ungeklärt ist –, sondern bilden damit auch eine wichtige Quelle für wissenschaftsgeschichtliche Forschungen. Diese Dias sind heute neben dem umfangreichen Feucht- und Trockenpräparatebestand Teil der Zoologischen Sammlung der Universität Wien.

Literatur:

CLAUS, Carl / GROBBEN, Karl: Lehrbuch der Zoologie, 7. neubearbeitete Auflage des Lehrbuches von C. Claus, Marburg : N.G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, (1905).
HATSCHEK, Berthold / CORI, Carl Ferdinand: Elementarcurs der Zootomie in fünfzehn Vorlesungen, Jena : Gustav Fischer, (1896).
SCHNEIDER, Karl Camillo: Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere, Jena : Gustav Fischer (1902).
STORCH, Otto: Die Eizellen der heterogonen Rädertiere. Nebst allgemeinen Erörterungen über die Cytologie des Sexualvorganges und der Parthenogenese. Mit Tafel 15-18 In: Zoologische Jahrbücher, Abteilung für Anatomie und Ontogenie der Tiere, Bd. 45, (1924), S. 309–404.
WETTSTEIN, Richard: Handbuch der Systematischen Botanik – 1. Band, Leipzig [u.a.] : Deuticke (1901)
WETTSTEIN, Richard: Handbuch der Systematischen Botanik – 2. Band, Leipzig [u.a.] : Deuticke (1903–1908)

Quellen:

BRADBURY, S.: Recording the image – past and present. In: Quekett Journal of Microscopy (1994), S. 281–295.
HENNIG, Eckart / KAZEMI, Marion: 100 Jahre Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911–2011. Daten und Quellen. Zweiter Band (2016). S. 261–265. Online verfügbar
MARINELLI, Wilhelm: Professor Dr. Otto Storch. In: Österreichische Zoologische Zeitschrift, Bd. 3 (1952), S. 487–493. Online verfügbar
MARINELLI, Wilhelm: Die biologische Station bei Lunz am See und die Zoologie. In: Österreichische Zoologische Zeitschrift, Bd. 4 (1954), S. 1–8. Online verfügbar
MIZZARO, Maria / SALVINI-PLAWEN, Luitfried: 150 Jahre Zoologie an der Universität Wien. In: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich 136 (1999), S. 1–76. Online verfügbar
PIERSOL, George A.: Drawings v. Photographs. In: The American monthly microscopical journal, Bd. 9 (1888), S. 103–104. Online verfügbar
SIDERITS, Daniel: Zoologische Sammlung. In: Schaukästen der Wissenschaft. Die Sammlungen an der Universität Wien, hrsg. von Claudia Feigl, Wien [u.a.] : Böhlau 2012, S. 193–195. Online verfügbar
Elfter Jahres-Bericht des k. k. Oberreal-Gymnasium in Reichenberg für das Schuljahr 1883, Reichenberg : Selbstverlag des k. k. Oberreal-Gymnasiums (1883) Online verfügbar

Text: Tanja Sauer, BA || Projektteam: Susanne Göttlich, BA / Silvia Mussmann, Bakk.a MA MA / Tanja Sauer, BA || Projektbetreuung: Mag. Simon Engelberger und Mag.a Claudia Feigl, MAS || Digitalisierung: Mag.a Lisa Liska