Botanische Wandtafel „Gefleckter Aronstab“

Botanische Wandtafel „Gefleckter Aronstab“

Botanische Wandtafeln von Friedrich Georg Kohl (1855–1910) Serie III Araceae, Arum maculatum L. Gefleckter Aronstab.
Verlag von Erwin Nägele, Leipzig 1907
Farblithographie, Papier auf Leinwand, Holz
Maße: 85 x 115 cm
Inv.-Nr.: HSBB/W/035
Aus der Wandtafelsammlung des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung


„Gute Wandtafeln gehören zu den besten Demonstrationsmitteln im naturwissenschaftlichen Unterricht, und wenn auch schon eine ganze Anzahl von Sammlungen derselben herausgegeben worden ist und noch herausgegeben wird, so sind neue doch nicht überflüssig, wenn sie den an sie zu stellenden Anforderungen entsprechen, und wenn sie möglichst das, was in den bekanntesten Sammlungen von Kny, Dodel-Port, Frank-Tschirch u.a. fehlt, ergänzen. Die letztere Aufgabe zu erfüllen ist der Herausgeber bemüht und schon insofern erwirbt er sich mit seinem Unternehmen gewiss den Dank vieler Fachgenossen.“

So schrieb der Botaniker Martin Möbius (1859–1946) in seiner Rezension der ersten drei botanischen Wandtafeln von Friedrich Georg Kohl (1855–1910), die 1897 in Kassel im Verlag der Gebrüder Gotthelft herausgegeben worden waren. Des Weiteren lobte Möbius die vortreffliche und detaillierte zeichnerische Umsetzung, die sowohl eine eigenständige wissenschaftliche, als auch künstlerische Leistung darstellen würde und empfahl, insbesondere Hochschulen, die Anschaffung der Tafeln „auf's Beste“. Großer Erfolg sollte dieser Wandtafel-Edition jedoch nicht beschieden sein, schon 1907 war sie nach dem Erscheinen von insgesamt 18 Tafeln beendet. Heute sind die botanischen Wandtafeln von Kohl nahezu in Vergessenheit geraten und finden sich nur noch relativ selten im Inventar von Universitäts- oder Schulsammlungen. Auch Kohl selbst ist ein in Ungnade gefallener und nahezu vergessener Botaniker.

Friedrich Georg Kohl war am 15. Oktober 1855 in Plauen (Vogtland, Sachsen) als Sohn des Gewerbelehrers Friedrich Gottlob Kohl (1811–1876) zur Welt gekommen und besuchte zunächst die höhere Gewerbeschule in Chemnitz. Daraufhin arbeitete er zwei Jahre als Chemiker und bildete sich in Folge am Königlich Sächsischen Polytechnikum Dresden in den Fächern Chemie, Mineralogie und Philosophie weiter. Nach dem Tod seines Vaters holte Kohl zu Ostern 1878 die Maturitäts-Prüfungen nach und inskribierte Ende April 1878 an der Universität Leipzig. Hier interessierte er sich vor allem für Botanik und promovierte 1881 mit der Arbeit „Vergleichende Untersuchung über den Bau des Holzes der Oleaceen“ zum Dr. phil. Im Februar 1884 habilitierte er sich in Marburg zum Privatdozenten für Botanik und erhielt hier im Wintersemester 1891/92 eine außerordentliche Professur der Botanik an der Universität Marburg. 1891 bis 1895 gab er in 35 Lieferungen „Die officinellen Pflanzen der Pharmacopoea germanica für Pharmaceuten und Mediziner“ heraus und legte 1896 eine zweibändige „Excursions-Flora für Mitteldeutschland“ – die kryptogame und phanerogame Pflanzen umfasste – vor. Ende November 1906 wurde in Marburg gegen Kohl ein Disziplinarverfahren wegen anonymer Beleidigung des dortigen Ordinarius für Botanik Arthur Meyer (1850-1922) eröffnet, Kohl wurde in Folge beurlaubt. Drei Tage vor seiner offiziellen Entlassung im Juli 1908 stellte er einen eigenen Antrag auf Entlassung aus seinem akademischen Amt. Am 29. Jänner 1910 starb Friedrich Georg Kohl nach längerem Leiden in Leipzig. Er erhielt zeitgenössisch keinerlei ausformulierten Nachruf, eine etwas detailliertere Biographie von ihm existiert bis heute nicht.

Zwischen 1897 und 1907 erschienen insgesamt 18 botanische Wandtafeln von Kohl. Er hatte sich bei der Herausgabe für ein etwas kompliziertes System von fünf Serien entschieden: Serie I sollte der Physiologie (inkl. Biologie), Serie II der Anatomie, Serie III der Systematik und Entwicklungsgeschichte, Serie IV der Morphologie und Serie V schließlich den Pflanzenkrankheiten gewidmet sein. Mit zehn Tafeln zur Systematik und Entwicklungsgeschichte erschienen in Folge zu Serie III tatsächlich die meisten Tafeln, von Serie I gingen sechs Wandtafeln in Druck. Zu Serie II und V erschien jeweils nur eine Tafel (Nummer 5 "Plasmaverbindungen" und Nummer 2 "Peronosporaceae"), zur geplanten Serie IV überhaupt keine. Die Tafeln 1 bis 12 erschienen bis 1905 im Verlag und gedruckt von den Gebrüdern Richard und Wilhelm Gotthelft in Kassel, dann übernahm bis 1907 der Verlag von Erwin Nägele in Stuttgart die Herausgabe. Die Motive wurden nach makro- und mikroskopischen Fotografien, sowie Originalzeichnungen des Autors auf Tafeln im Format 85 x 115 cm gedruckt; zum Zeitpunkt des Erscheinens der ersten drei Tafeln (1897/98) existierten keine größeren botanischen Wandtafeln (Tafel 101-120 von Leopold Kny im Format 106 x 150 cm erschienen erst 1906-1911). Da die Herstellungskosten beträchtlich waren, entschieden sich die Verleger später für ein Subskriptionsmodell. Ein 1897 erschienener „Prospect“ zum Wandtafel-Editionsprojekt, wie auch die ursprünglich jeder Tafel beigelegten Erklärungs-Texte, sind derzeit weltweit nicht greifbar und offenbar in keiner öffentlichen Bibliothek hinterlegt. Wohl bedingt durch die Entlassung von Kohl aus seinem Professoren-Amt, wie auch seiner gesundheitlichen Verfassung, nahm das Editionsprojekt 1907 ein eher abruptes Ende. Für das botanische Wandtafel-Projekt von Otto Schmeil (1860–1943) hatte Kohl seit 1904 sechs Tafeln (Nummer 3, 7-10 und 13) entworfen und gezeichnet.

Die hier präsentierte Tafel No. 17 gelangte zusammen mit drei weiteren Wandtafeln von F. G. Kohl (Nummer 15, 16 und 18) als Geschenk des Botanik-Professors Richard von Wettstein (1863–1931) am 22. Dezember 1908 in den Sammlungsbestand des Botanischen Institutes der Universität Wien (alte Inventarnummer: P507). Zusammen mit zwei weiteren Tafeln (Nummer 4 und 7, "Spaltöffnungen A" und "Spaltöffnungen B") aus dem Bestand des ehemaligen pflanzenphysiologischen Institutes (alte Inventarnummer: 1623, erworben am 21.12.1904), finden sich somit sechs Tafeln von Kohl in der Wandtafelsammlung des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung. Systematik und Biologie der Aronstabgewächse (Araceae) bilden in Wien, zurückgehend auf den Schönbrunner Hofgärtner und Botaniker Heinrich Wilhelm Schott (1794–1865), einen Forschungsschwerpunkt. Schott beschrieb eine Vielzahl von Gattungen und Arten der Araceae zum ersten Mal, darunter so berühmte Zimmerpflanzen wie Anthurium (Flamingoblume), Philodendron (Baumfreund) und Dieffenbachia. Letztgenannte Gattung trägt ihren Namen übrigens zu Ehren des Obergärtners der Universität Wien Joseph Dieffenbach (1790–1863). Heute existiert hier am Botanischen Garten der Universität Wien die weltgrößte Spezialsammlung von knollenbildenden Araceen; blütenbiologische und palynologische (pollenkundliche) Aspekte der Familie werden schwerpunktsmäßig erforscht. Im Mai 2022 zeigte die Titanenwurz (Amorphophallus titanum) des Botanischen Gartens – ebenfalls ein Aronstabgewächs und in Wien auch nach Heinrich Wilhelm Schott liebevoll „Willi“ genannt – zum ersten Mal ihren größten unverzweigten Blütenstand der Welt.

Literatur:

Hessische Biografie (2002): „Kohl, Friedrich Georg“, in: Hessische Biografie (Stand: 5.7.2022) [letzter Zugriff am 21.11.2022]
LAURENT, Anna: The Botanical Wall Chart. Art from the golden age of scientific discovery. Illex Press, London 2016.
Exemplar im Bestand der UB Wien
MÖBIUS, Martin: Referate. F. G. Kohl, Botanische Wandtafeln. In: Botanisches Centralblatt 73 (1898), S. 386-388.
OTTO, Richard: Neues Tafel-Material für den botanischen Unterricht. Botanische Wandtafeln von Dr. F. G. Kohl, Professor der Botanik zu Marburg a. d. S. In: Gartenflora 47 (1898), S. 217-218. Online verfügbar
UPHOFF, Ina Katharina / van VELSEN, Nicola: Schaubilder und Schulkarten. Von Bildern lernen im Klassenzimmer. München-London-New York 2018. Exemplare im Bestand der UB Wien


Text und Foto: Mag. Matthias Svojtka