Ehrenmedaille der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft

Ehrenmedaille der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft

Ehrenmedaille der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft
Künstler: Peter Hagenauer
Vorderseite: Profilbild von Rudolf Inzinger (1907–1980)
Rückseite: Inschriften: "Boltzmann 1903", "Escherich 1903", "Müller 1903", "Inzinger 1946", sowie "Österreichische Mathematische Gesellschaft"
Maße: Durchmesser 70,0 mm
Inventarnummer: 6-10
Aus der Historischen Sammlung der Fachbereichsbibliothek Wirtschaftswissenschaften und Mathematik


Im Zuge mehrerer Institutszusammenlegungen und Übersiedlungen kamen im Laufe vieler Jahrzehnte unterschiedlichste Objekte an die ehemalige Institutsbibliothek Mathematik, heute Teil der Fachbereichsbibliothek Wirtschaftswissenschaften und Mathematik. Dass die Sammlung bis heute besteht, ist vor allem dem Engagement des ehemaligen Bibliotheksleiters zu verdanken. Ein Teil der kleineren geometrischen Objekte stammt aus dem früheren Institut für Mathematik, das damals noch in der Strudelhofgasse 4 untergebracht war. Unter den Objekten befinden sich zahlreiche mathematische Modelle und Demonstrationsobjekte, die als Anschauungsobjekte für die Lehre erworben worden waren. In späteren Jahren wurde die Sammlung um fünf Rechenmaschinen und einige Mess- und Zeichengeräte erweitert. Über die Jahre verzeichnete die Sammlung Zu- aber auch Abgänge, da Objekte abgegeben oder verschenkt wurden. Die Sammlung beherbergt heute Rechengeräte, Rechenmaschinen, Zeichengeräte, Messgeräte und mathematische Modelle sowie 'Varia' – insgesamt 79 Objekte. Im Jahr 2020 wurde sie im Zuge des Universitätslehrganges „Library and Information Studies“ vollständig digital erschlossen und ist seitdem im Langzeitrepositorium PHAIDRA online einsehbar.

In der Gruppe der 'Varia' befinden sich Objekte unterschiedlichster Art, wie beispielsweise kleine Formelbücher, eine Gipstafel, mehrere Stahlstiche, einen der ersten Computer aus den 1980er Jahren und die hier vorgestellte Medaille der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft. Die Österreichische Mathematische Gesellschaft (kurz ÖMG) wurde 1903 unter dem Namen "Mathematische Gesellschaft in Wien" von dem Physiker Ludwig Boltzmann (1844–1906) und den Mathematikern Gustav von Escherich (1849–1935) und Emil Müller (1861–1927) gegründet. In der ersten Sitzung der ÖMG wurde der Mathematiker Wilhelm Wirtinger (1865–1945) anstelle von Ludwig Boltzmann in den Vorstand gewählt. Über das Ziel dieser neuen Vereinigung ist in einem ersten Bericht an die Deutsche Mathematikervereinigung folgendes zu lesen:

"Am 14. Januar 1904 hat sich eine mathematische Gesellschaft gebildet mit dem Ziel der Pflege der reinen und angewandten Mathematik durch Vorträge, Referate, usw. Von der Anlegung einer Bibliothek und der Veröffentlichung der Vorträge wird zunächst abgesehen. Mindestens einmal im Monat findet eine Versammlung statt. Der Vorstand besteht aus folgenden Herren: G. v. Escherich, Obmann; E. Müller, 1. Stellvertreter: W. Wirtinger, 2. Stellvertreter; A. Lampa, Schriftführer: A. Gerstel, Kassenführer: In der ersten Versammlung am 22. Januar 1904 hielt W. Wirtinger den Vortrag "Über eine bei der cardanischen Formel auftretende Verzweigung". In der zweiten Versammlung am 19. Februar 1904 trug Herr J. Plemelj vor "Über die Fredholmsche Funktionalgleichung und ihre Anwendung."

Nach dem zweiten Weltkrieg nahm die Gesellschaft ihre Tätigkeiten im Mai 1946 wieder auf. Am 10. August 1946 wurde sie formal von dem an der Technischen Hochschule Wien lehrenden Mathematiker Rudolf Inzinger (1907–1980) wiedergegründet. Im darauffolgenden Jahr wurden die "Internationalen Mathematischen Nachrichten" (IMN) – ebenfalls von Rudolf Inzinger – als "Nachrichten der Mathematischen Gesellschaft in Wien" eingerichtet. 1952 wurde die Zeitschrift in "Internationale Mathematische Nachrichten" umbenannt und war bis 1971 offizielles Publikationsorgan der "Internationalen Mathematischen Union".

Am 18. November 1955 wurde in einer Vorstandssitzung auf Antrag von Hans Hornich (1906–1979) beschlossen, österreichischen Mathematiker*innen für ihre hervorragende wissenschaftliche Leistungen einen Anerkennungspreis zuzuerkennen. Seit 1956 wird der sogenannte Förderungspreis der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft jährlich an österreichische Mathematiker*innen, welche überdurchschnittliche Leistungen in Österreich erbracht haben, überreicht. Der Förderpreis ist mit EUR 1.000,- dotiert. Erster Preisträger war der an der Technischen Hochschule in Wien wirkende Mathematiker Wilfried Nöbauer.

Seit dem Jahr 1981 wird zusätzlich zum Förderpreis eine von dem Künstler Peter Hagenauer gestaltete Medaille überreicht. Sie wurde 1982 erstmals an den an der Paris Lodron Universität Salzburg lehrenden Professor für Mathematik, Johannes Czermak, vergeben. Auf der Vorderseite der Medaille ist das Portrait von Rudolf Inzinger als Profilansicht zu sehen, die Inschriften auf der Rückseite erinnern an die (Wieder-)Gründungsmitglieder der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft.

Die ersten Ehrenmedaillen (vermutlich in Gold gefertigt) wurden 1981 im Rahmen des 10. Internationalen Mathematiker-Kongresses an der Universität Innsbruck an drei Ehrenmitglieder Leopold Vietoris (1891–2002), Walter Wunderlich (1910–1998) und Karl Strubecker (1904–1991) überreicht. Neben diesem Förderungspreis werden heute von der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft auch Studien- sowie ein Schüler*innenpreise vergeben.

Aufgrund fehlender schriftlicher Hinweise kann die vorgestellte Medaille weder einer Person zugeordnet, noch geklärt werden, wann sie in die Sammlung aufgenommen wurde – vermutlich zwischen 1993 und 2013.

Literaturliste/Quellen:

BINDER, Christa: Vor 100 Jahren: Mathematik in Wien. In: Internationale Mathematische Nachrichten, Nr. 193 (57. Jahrgang) August 2003, S. 1-20. Online verfügbar


FRANKL, Martina | GRASS, Angelika | LOIDL, Stephanie: "Erschließung der Historischen Sammlung Mathematik an der Fachbereichsbibliothek Wirtschaftswissenschaften und Mathematik der Universitätsbibliothek Wien". Projektarbeit im Rahmen der Grundausbildung des Universitätslehrganges "Library and Information Studies an der Österreichischen Nationalbibliothek", Wien 2020. Online verfügbar

Bericht der über die Generalversammlung der österreichischen Mathematischen Gesellschaft. Punkt 1. In: Internationale Mathematische Nachrichten, Nr. 127 (33. Jahrgang) April 1981, Seite 65. Online verfügbar

Bericht der über die Generalversammlung der österreichischen Mathematischen Gesellschaft. Punkt 7. In: Internationale Mathematische Nachrichten, Nr. 130 (36. Jahrgang) April 1982, Seite 92 / Bericht über den 10. Österreichischen Mathematikerkongress, S. 69ff. Online verfügbar

Ehrenmedaille der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft

Text: Martina Frankl | Fotos: Martina Frankl, Angelika Grass & Stephanie Loidl