Großdruck „Iris sibirica“

Großdruck „Iris sibirica“

Arnold Dodel, Biologischer Atlas der Botanik, Serie „Iris“, Taf. 2
Verlag von J. F. Schreiber, Esslingen 1894
Farblithographie, Papier auf Leinwand
Maße: 84 x 120 cm
Inv.-Nr.: HSBB/W/050
Aus der Wandtafelsammlung des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung


„Demonstrationsmittel für den botanischen Unterricht besitzen wir bekanntlich keineswegs in reichem Maasse, und wer je ein botanisches Institut einzurichten hatte, weiss, mit welcher Mühe die Beschaffung der nöthigen Wandtafeln verbunden ist. Es ist deshalb das Erscheinen käuflicher Tafelwerke mit Dank zu begrüssen. Das Dodel’sche Werk soll die wichtigsten Kapitel der Physiologie, Morphologie, Anatomie und Biologie erläutern. Die vorliegende Lieferung beschäftigt sich mit Iris sibirica und schildert die Bestäubung, Befruchtung, Embryobildung und Keimung auf sieben Tafeln. Die Ausführung derselben ist eine sehr schöne, ein sprechender Beweis für die Fortschritte, welche die Reproduktionstechnik gemacht hat.“

Mit diesen anerkennenden Worten lobte der deutsche Botaniker Karl von Goebel (1855–1932) die Herausgabe der ersten Serie „Iris“ des neuen "Biologischen Atlas der Botanik" von Arnold Dodel (1843–1908), die 1894 im Verlag J. F. Schreiber (Esslingen) in sieben Tafeln „in feinstem Farbdruck“ erschien. Die Großdrucke im Format 84 x 120 cm wurden von einem 19-seitigen erläuterndem Text begleitet und kosteten stolze 40 Goldmark bzw. 50 Francs.

Arnold Dodel, am 16. Oktober 1843 in Affeltrangen (Kanton Thurgau, Schweiz) als Sohn des Bauern Jakob Dodel (gest. 1859) und der Katharina (geb. Kräher) zur Welt gekommen, besuchte für drei Jahre das Lehrerseminar in Kreuzlingen am Bodensee und absolvierte im April 1863 das Staatsexamen als thurgauischer Volksschullehrer. Nun zunächst von Mai 1863 bis Oktober 1864 als Oberlehrer an der Dorfschule in Hauptwil tätig, studierte Dodel ab 1864 zunächst an der Universität Genf, 1865 dann am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich Naturwissenschaften – hier speziell Botanik, mit dem Ziel Sekundarlehrer zu werden. Im Herbst 1867 wechselte er an die Universität München und promovierte schließlich 1869 an der Universität Freiburg im Breisgau mit dem pflanzenanatomischen Thema „Der Übergang des Dikotyledonen-Stengels in die Pfahlwurzel“, das ihm noch Carl Wilhelm von Nägeli (1817–1891) in München zugewiesen hatte. Seit dem Frühjahr 1870 als provisorischer Lehrer an der Mittelschule in Winterthur tätig, habilitierte sich Dodel im Herbst desselben Jahres an der Universität Zürich für Botanik, hielt ab dem Wintersemester 1870/71 entsprechende Vorlesungen und begründete ein botanisch-mikroskopisches Laboratorium. 1880 an der Universität Zürich zum Extraordinarius ohne Gehalt befördert, ernannte man Dodel hier 1883 in Nachfolge von Carl Eduard Cramer (1831–1901) zum Ordinarius der Botanik; zusätzlich übernahm er im selben Jahr nach dem Tod von Oswald Heer (1809–1883) das Ordinariat aus systematischer Botanik am Polytechnikum in Zürich. Seit etwa 1895 kränkelnd, wurde Dodel im Sommersemester 1897 krankheitshalber beurlaubt und bat im Sommersemester 1903 um Versetzung in den Ruhestand. Am 11. April 1908 starb er in Zürich an den Folgen einer Lungenentzündung.

Am 15. September 1875 hatte Arnold Dodel in Wien die um 13 Jahre jüngere Studentin an der Universität Zürich Anna Maria Elisabeth Carolina Port (geb. 14.05.1856 in Schweighofen / Rheinland-Pfalz), Tochter des Kaiser-Ferdinand-Nordbahn-Beamtens Georg Port (gest. Wien, 30.07.1890), geheiratet. An der Universität Zürich waren – einzigartig im deutschen Sprachraum – bereits seit 1840 erste Hörerinnen zugelassen, 1867 war hier die erste Promotion einer Frau (im Studienfach Medizin) erfolgt. Die „Verlobung einer Studentin mit ihrem Professor“ sorgte zeitgenössisch für einiges Aufsehen in den österreichischen Tageszeitungen, so hieß es beispielsweise in der Presse vom 4. September 1875:

„Der Fall ist recht interessant. Daß Schülerinnen sich in ihre Lehrer verlieben und dieselben schließlich heiraten, ist zwar nichts Neues, daß sich aber dieses Verhältniß im akademischen Rahmen zwischen dem Professor, der allerdings erst Privatdocent ist, und der immatriculirten Studentin herausbildete, das ist denn doch vorderhand noch originell, obwohl es vielleicht nicht lange mehr vereinzelt bleiben dürfte. Die Geschichte, von der wir sprechen, ereignete sich zwar in Zürich, dem Vororte des akademischen Frauenstudiums, hat aber für uns in Wien ein specielles Interesse […] Das kommt davon, wenn man die Töchter nach Zürich studiren schickt! Die alma mater als Heiratsvermittlerin und die Hochzeit auf wissenschaftlichem Wege – das ist der neueste und modernste Lustspielstoff!“

Die Hochzeitsreise führte das Paar zunächst zur 48. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte nach Graz (18. bis 24. September 1875), da ja auch die junge Braut eine angehende Naturforscherin war. Erst im Anschluss bereiste man Oberitalien und wollte Mitte Oktober wieder zurück in Zürich sein, wie die Salzburger Zeitung vom 17.09.1875 berichtete. Die Hochzeit mit Carolina Port sollte auch naturwissenschaftlich Früchte tragen: Zwischen 1878 und 1883 gaben Arnold und Carolina Dodel-Port den nachmalig berühmten „Anatomisch-physiologischen Atlas der Botanik“, bestehend aus 42 großformatigen Farblithographien mit erläuterndem Text, gemeinsam heraus, Carolina wirkte als Illustratorin zahlreicher Tafeln. Am 4. Dezember 1890 jedoch wurde die Ehe am Bezirksgericht Lugano geschieden, schon am 25. September 1891 heiratete der Freidenker Dodel in Romanshorn (Kanton Thurgau) erneut, diesmal Luise Henriette Müller (1863–1946), eine unbesoldete Assistentin an seiner Lehrkanzel. Schlussendlich wurde auch diese Ehe am 31. Mai 1906 am Bezirksgericht Lugano wieder gelöst.

Zehn Jahre nach der Fertigstellung des "Anatomisch-physiologischen Atlas der Botanik" war die große Auflage – es hatte sogar eine englische und russische Edition gegeben – beinahe vergriffen und Arnold Dodel trug sich mit dem Gedanken, eine neue Ausgabe zu erarbeiten. Diese sollte recht eigentlich ein ganz neues Werk werden, das noch besser „dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und dem derzeitigen Bedürfniss der Hoch- und Mittelschulen“ angepasst war. Er nannte das Projekt „Biologischer Atlas der Botanik“ und wollte mit in-sich inhaltlich abgeschlossenen Lieferungen die wichtigsten Kapitel der Physiologie, Morphologie, Anatomie und Biologie darstellen. „Ein jedes Blatt sei ein naturwahres Kunstwerk, lehrreich und begeisternd zugleich – für Lehrer sowohl als für Schüler!“ schrieb Dodel dazu im Vorwort des Erläuterungstextes zur Serie "Iris". Diese illustrierte anhand der Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica) Themen zur Fremdbestäubung durch Insekten, zu Lockmitteln (Blütenfarben, Nektar), zu Morphologie der männlichen und weiblichen Blütenteile, der Frucht und des reifen Samens, zur Befruchtung der Eizelle und Entwicklungsgeschichte des Embryos, sowie zur Samenkeimung. Die hier präsentierte Tafel 2 widmete sich der „Farbenpracht der Blume, Nectarium und Honigabsonderung“. Offenbar gehindert durch private Ereignisse oder Krankheit konnte Dodel in Folge keine weitere Lieferung des Biologischen Atlas mehr herausgeben – das Projekt begann und endete mit der schönen ersten Serie Iris.

Das Botanische Institut der Universität Wien erwarb die sieben Tafeln samt Erläuterungen erst am 30. April 1906 für 23 Kronen und 56 Heller (alte Inventarnummer der Bildersammlung: P185). Die 42 Tafeln des "Anatomisch-physiologischen Atlas der Botanik" hatte man schon am 16. Juli 1902 in der Buchhandlung Gerold für 300 Kronen nachgekauft (alte Inventarnummer: P174). Damals dachte man wohl vorausschauend schon an die Einrichtung des neuen Botanischen Institutes: Im Neubau von 1903/04, der am 3. April 1905 feierlich eröffnet wurde, fanden die botanischen Lehrsammlungen und Lehrobjekte deutlich mehr Platz als im alten Botanischen Museumsgebäude.

Literatur:

Anonymus (1908): Professor Dr. Dodel-Port †. Ischler Wochenblatt Nr. 16 (19.04.1908), 1. Beilage. S. 3.

BEYL, Werner (1984): Arnold Dodel (1843–1908) und die Popularisierung des Darwinismus.- Marburger Schriften zur Medizingeschichte 12: 173 S., Verlag Peter Lang (Frankfurt am Main u.a.) Exemplar im Bestand der UB Wien

GOEBEL, Karl von (1894): [Besprechung] A. Dodel, Biologischer Atlas der Botanik, Serie Iris.- Flora oder Allgemeine botanische Zeitung 78: 499, Marburg. Online verfügbar

KNUTH, Paul (1894): [Besprechung] Dodel, A., Biologischer Atlas der Botanik. Serie „Iris“. Botanisches Centralblatt 58 (1894) S. 95–96. Online verfügbar

PAUWELS, Luc (Ed.) (2006): Visual cultures of science. Rethinking representational practices in knowledge building and science communication. XIX. 299 S. University Press of New England (Hanover/London). Exemplar im Bestand der UB Wien

Text und Foto: Mag. Matthias Svojtka