Skizzenbuch mit Zeichnungen von Simon Leo Reinisch

Skizzenbuch mit Zeichnungen von Simon Leo Reinisch

Simon Leo Reinisch (1832–1919)
Skizzenbuch mit Pergamenteinband, 46 Seiten
Maße: Folioformat, 65 x 50 cm (geschlossen)
ohne Inv.-Nr.
Aus der Ägyptischen Sammlung


Das Institut für Ägyptologie der Universität Wien feiert im Jahr 2023 ein doppeltes Jubiläum: Nach der Gründung des ersten Lehrstuhls für Ägyptologie an der Universität Wien im Jahr 1873 wurde schließlich 1923 das Institut für Ägyptologie gegründet. Dieses 150. und 100. Jubiläum sind Anlass, auf die 150-jährige Geschichte der Ägyptologie in Österreich zurückzublicken und in diesem Zusammenhang ein Objekt zu präsentieren, das aus dem Nachlass des Lehrstuhlgründers Simon Leo Reinisch (1832–1867) stammt. Simon Leo Reinisch wurde 1832 in Osterwitz geboren und wuchs als Sohn einer Bauernfamilie auf. Der sprachlich und malerisch sehr begabte Reinisch studierte Geschichte, Klassische Philologien und Orientalische Sprachen an der Universität Wien und promovierte 1859 mit der Dissertation „Über den Namen Ägyptens bei den Semiten und Griechen“. 1861 folgte seine Habilitation an der Universität Wien mit dem Werk „Geschichte des Orients im Altertum mit Einschluß Ägyptens“. Als Privatdozent für die Geschichte des Orients betreute und bearbeitete Reinisch die Sammlung ägyptischer Altertümer von Erzherzog Maximilian (1832–1867), dem späteren Kaiser Maximilian von Mexiko, im Schloss Miramar, die er im Rahmen der 1865 in Wien herausgegebenen Publikation zu ägyptischen Denkmälern im Schloss Miramar mit 43 lithographierten Tafeln, 29 in den Text eingedruckten Holzschnitten und einer Titelvignette publizierte.

1866 reiste Leo Reinisch gemeinsam mit Kaiser Maximilian nach Mexiko, um dort in dessen Auftrag im Archäologischen Museum in Mexiko eine ägyptische Abteilung aufzubauen. In Mexiko war er neben der Leitung des Museums auch für das Staatsarchiv zuständig und widmete sich außerdem sprachwissenschaftlichen Studien und der Mexikanistik. Nach dem Tod des Kaisers kehrte Leo Reinisch 1867 nach Österreich zurück. 1873 erhielt er eine ordentliche Professur für Ägyptische Altertumskunde an der Universität Wien, wodurch der erste Lehrstuhl für Ägyptologie in Österreich begründet wurde. An der Universität Wien bekleidete Leo Reinisch im Studienjahr 1890/91 das Amt des Dekans der Philosophischen Fakultät und 1896/97 das Amt des Rektors der Universität Wien. Unter seinem Rektorat wurde die gesetzliche Grundlage geschaffen, die es Frauen ermöglichte als Hörerinnen an der philosophischen Fakultät der Universität aufgenommen zu werden. In seinem Bericht über das Studienjahr 1896/97 befürwortete Reinisch das Recht auf Bildung für Frauen. Im betreffenden Studienjahr hatte zum ersten Mal eine Frau – Gabriele Possaner von Ehrenthal (1860–1940) – an einer Universität der österreich-ungarischen Monarchie den Doktorgrad erlangt.

Bei dem hier präsentierten Objekt handelt es sich um eine Sammlung von Zeichnungen und Aquarellen, die Reinisch als exakte Kopien nach Stichen aus der 1822 in Stuttgart erschienenen Publikation „Antiquités de la Nubie“ von Franz Christian Gau (1790–1853) anfertigte - vermutlich bevor er 1866 von Mexiko nach Ägypten reiste. Die meisten dieser Skizzen wurden direkt in das Skizzenbuch im Folio-Format mit Pergamenteinband gezeichnet bzw. nachträglich eingeklebt. 2023 konnte es mit finanziellen Mitteln der Sammlungskoordinierungsstelle an der DLE Bibliotheks- und Archivwesen restauriert werden. Die ausgewählten Aquarelle (IÄ 967; IÄ 988) zeigen die detailgetreue Wiedergabe des nubischen Tempels von Debod, der sich nach seiner Umsiedelung im Zuge der Errichtung des Assuan-Staudamms heute in Madrid befindet und in der Publikation von Franz Christian Gau auf Tafel 3 abgebildet ist.

Die Gemälde demonstrieren die künstlerische Begabung Reinischs, der neben kulturhistorischen Themen vor allem linguistische und umfassende sprachvergleichende und -historische Studien veröffentlichte. Er publizierte Textsammlungen, Grammatiken und Wörterbücher zu über 20 verschiedenen Sprachen und Dialekten und legte somit einen fundamentalen Grundstein im Bereich der Afrikanistik. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit erhielt Reinisch zahlreiche Auszeichnungen, darunter das „k. u. k. österreichisch-ungarische Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft“, das „Komturkreuz des Franz Josef Ordens mit dem Sterne“ und die höchste akademische Auszeichnung: eine ihm zu Ehren gestiftete Medaille.

Die Biographie Reinischs sowie ein Eindruck seines künstlerischen und wissenschaftlichen Schaffens ist im Rahmen einer Ausstellung zur Geschichte der Wiener Ägyptologie in der Hauptbibliothek der Universitätsbibliothek (Universitätsring 1, 1010 Wien) vom 24. November 2023 bis 16. Dezember 2023 zu sehen. Diese Ausstellung ist den Wissenschaftler:innen gewidmet, die am Institut für Ägyptologie der Universität Wien in den vergangenen 150 Jahren tätig waren. Sie beleuchtet deren Biographien, Forschungsschwerpunkte und -projekte sowie ihre Bedeutung für die internationale Forschung der Ägyptologie vom Beginn des Fachs in Wien 1873 als Teil der Orientalistik und Indogermanistik bis zum heutigen Tag.

Ausstellungshinweis:

Anlässlich des Doppeljubiläums haben Mitarbeiter*innen des Instituts für Ägyptologie eine Ausstellung gestaltet, die den Titel "Jubiläen der Wiener Ägyptologie 2023" trägt und im Foyer der Universitätsbibliothek Wien gezeigt wird. Die Ausstellung beleuchtet Biographien, Forschungsschwerpunkte und -projekte sowie deren Bedeutung für die internationale Forschung der Ägyptologie vom Beginn des Fachs in Wien 1873 als Teil der Orientalistik und Indogermanistik bis zum heutigen Tag.

Ausstellungsdauer: 24. November bis 16. Dezember 2023
Öffnungszeiten: Mo–Fr: 9:00–24:00 Uhr; Sa: 9:00–18:00 Uhr


    Am Freitag, den 1. Dezember 2023 und am Freitag, den 15. Dezember 2023 finden jeweils um 12 Uhr Kuratorinnenführungen statt. Treffpunkt ist im Foyer der Universitätsbibliothek, eine Anmeldung ist nicht notwendig!

    Begleitbroschüre zur Ausstellung

Skizzenbuch mit Zeichnungen von Simon Leo Reinisch

Text und Fotografie: Dr.in Elisabeth Kruck, M.A. | Restaurierung: Isabelle Russo