Innenansicht des Botanischen Museums der Universität Wien mit paläontologischer Sammlung und Bibliothek
Kartonierte Fotografie (Albuminabzug) von Fritz Kerner von Marilaun (1866–1944), 1892
Maße: 245 x 163 mm
Inv.-Nr.: P18/13
Aus der Historischen Sammlung des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung
„Das wichtigste was ich erreicht habe ist die Erbauung eines recht hübschen Hauses im bot. Garten, in der Mitte ein grosser Saal zu den Vorlesungen (einer der schönsten in Wien) mit einer Cupula, geziert mit dem großen Bilde von Knapp auf Jacquins Andenken […] rechts und links neun grosse Zimmer, (jedes so gross wie die beiden Herbarien Zimmer im Museum zusammen genommen) für Bibliothek und Sammlungen.“
Dies schrieb der Wiener Botanikprofessor Stephan Ladislaus Endlicher (1804–1849) in einem Brief an seinen britischen Kollegen George Bentham (1800–1884) am 20. Oktober 1844. Endlicher, seit 1836 Kustos am Hofnaturalien-Kabinett in Wien, war am 25. Dezember 1839 als Nachfolger von Joseph Franz von Jacquin (1766–1839) zum Professor für Botanik und Direktor des Botanischen Gartens der Universität Wien ernannt worden und strebte die Vereinigung der botanischen Sammlungen des Hofnaturalien-Kabinetts mit jenen der Universität Wien im Botanischen Garten an. „Habe ich die Sammlungen erst wieder in Händen, dann geht alles, was jetzt schwer und weitläufig ist, leicht und schnell“ hatte er im November 1842 in einem Brief an den deutschen Naturforscher und Botaniker Carl Friedrich Philipp von Martius (1794–1868) formuliert.
Tatsächlich bewilligte Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) schon im Jänner 1841 die Summe von 20.000 Gulden Conventionsmünze für einen entsprechenden Neubau im Botanischen Garten, der ab 1842 errichtet wurde und 1844 bezogen werden konnte. Das nach Endlicher „recht hübsche geräumige Gebäude“ mit neun Zimmern „von beachtlicher Größe“ kostete schlussendlich 22.536 Gulden CM. und beherbergte ab 1844 das „Herbarium Imperiale“, gemeinsam mit den botanischen Sammlungen der Universität Wien und einem sehr bedeutenden Bibliotheksbestand. Endlicher hatte zunächst die Bibliothek von Joseph Franz von Jacquin um 3.500 Gulden privat angekauft und schenkte dann 1841 seine gesamte Büchersammlung im Wert von rund 36.000 Gulden der Bibliothek des Botanischen Gartens. Im großen Saal am östlichen Ende des neu errichteten Botanischen Museums, mit Blick „in den schönsten Teil des Gartens“, war diese Bibliothek untergebracht. Das Gebäude – ein klassizistischer Bau mit einer rund 50 Meter langen Nordfront (beurteilt nach einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1938) – besaß in der Mitte ein von sechs Säulen getragenes Vestibül, über das man in den für 300 Personen konzipierten Hörsaal gelangte, in dem das berühmte großformatige Bild „Jacquins Denkmal“ des österreichischen Blumenmalers Johann Knapp (1778–1833) ausgestellt war. Westlich und östlich schlossen daran jeweils vier Räume an, die man an der jeweils dreiachsigen Fassade (mit je drei großen Bogenfenstern) nicht ohne weiteres erahnen konnte: Die Endräume waren jeweils saalartig vergrößert, die beiden mittleren Räume entstanden durch Querteilung entlang der Mittelachse. Am westlichen Ende befand sich zudem ein Anbau mit Wohnungen für einen Diener und zwei Gartengehilfen.
Endlicher und sein Nachfolger Eduard Fenzl (1808–1879) hielten im Hörsaal des botanischen Museums ihre Universitäts-Vorlesungen ab. In ebendiesem Saal fand am 9. April 1851 auch die gründende Versammlung des „Zoologisch-botanischen Vereins zu Wien“ statt, aus dem später mit Statthalterei-Erlass vom 30. Mai 1858 die berühmte „Kaiserlich-königliche Zoologisch-Botanische Gesellschaft“ hervorging, die zunächst ihren Sitz im Niederösterreichischen Landhaus (Herrengasse Nr. 13) hatte und dann im November 1892 in eine große Wohnung im Haus Wollzeile Nr. 12 umzog. Mit Fertigstellung des am 10. Oktober 1884 feierlich eröffneten neuen Universitätsgebäudes am Ring verfügte auch die Lehrkanzel für Systematische Botanik über zwei räumliche getrennte Institute, wie es Richard von Wettstein (1863–1931) formulierte: Zum einen das Botanische Museum und der Botanische Garten am Rennweg, zum anderen die mit den Hörsälen verbundenen Räumlichkeiten im Universitätsbau am Ring, wo fortan auch alle Vorlesungen und Kurse stattfanden. Das Botanische Museum war somit tatsächlich zu einem Museum, mit einigen Arbeitsplätzen für Wissenschaftler, mitten im Botanischen Garten geworden – insgesamt eine räumliche Synthese aus lebenden Pflanzen, Sammlungsobjekten und Bibliothek. Der ehemalige Hörsaal diente nun ebenfalls als Sammlungsraum. Nach dem Ende der Amtszeit von Eduard Fenzl hatte bereits im Juli 1879 eine Kommission die weiteren Besitzverhältnisse der Sammlungen geregelt, da die Leitung des Botanischen Gartens und jene des k. k. botanischen Hof-Cabinets nun nicht mehr in einer Person vereint war. Damals ging das gesamte Herbarium (im Umfang von rund 340.000 Spannbögen) zurück an das k. k. Naturhistorische Hofmuseum; lediglich Sammlungen von Früchten, Samen, Hölzern und "Objekten in Weingeist" verblieben am Botanischen Inastitut der Universität Wien.
Aus dem Jahr 1889 stammt die erste detaillierte Beschreibung der Bestände des Botanischen Museums durch Richard von Wettstein, seit 1888 Adjunkt am Botanischen Institut der Universität Wien unter dem Ordinarius Anton Kerner von Marilaun (1831–1898):
„Das botanische Museum befindet sich, wie schon erwähnt, in einem im botanischen Garten gelegenen einstöckigen Gebäude, das aus einer Vorhalle, einem großen Mittelsaale und aus acht in zwei Tracten an diesen sich anschließenden Sälen besteht. In diesen neun Sälen sind folgende Sammlungen aufgestellt: die botanische Bibliothek, das Herbarium, eine Sammlung von getrockneten Früchten und Samen, eine solche von Pflanzentheilen in Weingeist, von Fossilien, Gallen, Mißbildungen, Hölzern, pflanzlichen Textil- und technisch verwerthbaren Stoffen etc. Die einen Saal füllende Bibliothek, derzeit nahe an 10.000 Werke umfassend, zählt zu den größten botanischen Fachbibliotheken, sie ist insbesondere reich an werthvollen und seltenen älteren Werken und Zeitschriften und enthält auch eine Collection von photographischen Aufnahmen und Bildern. – Das Herbarium ist in drei Sälen untergebracht und enthält ca. 80.000 Exemplare. Ein Saal beherbergt die Kryptogamen und die getrennt aufbewahrten Exsiccatenwerke […] Der die Phanerogamen umfassende Theil des Herbars füllt zwei Säle. Die einzelnen Exemplare sind auf Cartonpapier gespannt und zu Fascikeln vereinigt, die in zweckmäßiger Weise durch Zirbenbrettchen (zur Abhaltung schädlicher Insecten) und Hanfgurten zusammengehalten werden […] Zu den reichhaltigsten Sammlungen des Museums ist die carpologische Sammlung zu zählen, die getrocknete Früchte und Samen von etwa 9000 Pflanzen enthält, welche zum Theil in großen Schaukasten, zum Theil in Gläsern und Schachteln in Laden sich befinden. – Einen Saal füllt die phyto-paläontologische Sammlung nicht nach geologischen, sondern nach botanisch-systematischen Gesichtspunkten geordnet und 1600 Nummern umfassend. Auch diese gliedert sich in eine in Glaskasten untergebrachte Schausammlung und eine Ladensammlung. Neben den Sammlungen Unger's, welche die Originalien zu vielen Arbeiten desselben enthalten, finden wir hier insbesondere reiche Auffsammlungen aus verschiedenen österreichischen Carbonablagerungen, aus dem Tertiär von Parschlug, Häring, Sotzka etc., vom Steinacher Joche, aus der Höttinger Breccie u. A., ferner eine Sammlung von Pflanzentheilen aus Pfahlbauten, von Pflanzenresten aus verschiedenen geschichtlichen Epochen, von Tuff- und Torfbildungen usw.“
Genau hierauf dürfen wir drei Jahre nach dieser Beschreibung durch die Linse von Fritz Kerner von Marilaun (1866–1944) den hier präsentierten photographischen Blick werfen: Pflanzenfossilien in den Schaukästen an den Wänden und in den Unterschränken, zwei Herbarfaszikel, ein Arbeitsplatz mit Mikroskop und aufgeschlagenem Buch, in der Sichtflucht hinten gegen Osten der große Bibliothekssaal mit zahlreichen, in Regalen aufgestellten Bänden. Nach der feierlichen Eröffnung des neuen botanischen Institutsgebäudes am Rennweg (mit Anschrift Prätoriusgasse 2) am 3. April 1905 – der Neubau hatte von September 1903 bis Oktober 1904 stattgefunden – übersiedelten die größten Teile der Sammlungen und die gesamte Bibliothek vom Botanischen Museum in das neue Institutsgebäude. Die Schausammlung wurde dort durch den Botaniker Josef Georg Brunnthaler (1871–1914) in vier Räumen in eigens angefertigten Glasvitrinen aufgestellt und wiederum „Botanisches Museum“ genannt. In den östlichen Trakt des nunmehr freien „alten“ Botanischen Museums im Garten (mit Anschrift Mechelgasse 2) zog 1908 auf Initiative Wettsteins und tatkräftig unterstützt von Brunnthaler die "k. k. Zoologisch-Botanische Gesellschaft" mit ihrer Bibliothek, ihren Archivalien und Sammlungen ein. Und genau hier kam es am 13. Februar 1945 auch zur großen Katastrophe: Nachdem bereits im September 1944 auf den dritten Wiener Gemeindebezirk der erste Luftangriff erfolgt war, wurde an diesem Tag das Gebäude von kombinierten Brand- und Sprengbomben bei einem Fliegerangriff so schwer getroffen, dass in den Trümmern sofort ein Brand ausbrach. Ein Augenzeuge berichtete damals:
„Nachdem wir nach dem Fliegerangriff den Luftschutzkeller des Botanischen Institutes verlassen hatten, stand das Vereinslokal der Zoologisch-botanischen Gesellschaft bereits in hellen Flammen. Der Brand hatte einen derartigen Umfang angenommen, daß er mit eigenen Kräften nicht mehr gelöscht werden konnte, weshalb vom Luftschutzleiter sofort die Städtische Feuerwehr verständigt wurde, die mit zwei Schlauchlinien die Bekämpfung des Brandes aufnahm. Da das Gebäude auch durch Sprengbomben zum Großteil zerstört wurde, gestaltete sich diese Löschaktion äußerst schwierig. Die durch den Luftdruck herausgeschleuderten Bücher und Zeitschriften wurden in gefährlicher und mühsamer Arbeit von Bäumen und aus Bombentrichtern von den Selbstschutzkräften geborgen. Die unter den Mauertrümmern verschütteten Bücher und Drucksorten brannten noch acht Tage lang, ohne daß es möglich war, irgendwelche Gegenstände zu bergen, da die noch stehenden Mauerreste jederzeit einzustürzen drohten. Im Frühjahr 1945 wurden im Schutt Nachgrabungen veranstaltet“.
Ein Großteil der Bibliothek und das gesamte Archiv der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft waren damals ein Raub der Flammen, die Brandruine des Botanischen Museums wurde 1951 restlos abgetragen. Seit 2019 besitzt die Universität Wien am Standort des Botanischen Museums mit dem neu errichteten „Botanicum“ einen winterfesten hübschen Pavillon, in dem im Rahmen der „Grünen Schule“ Kinder und Jugendliche experimentieren, mikroskopieren, forschen und botanisch gärtnern können.
„Aus der aufmerksamen Betrachtung der Natur“, schreibt dazu der von 1818 bis 1837 in der Ukraine tätige österreichische Botaniker Alexander Zawadzki (1798–1868) in seiner „Flora der Stadt Lemberg“ (1836), „schöpft der Mensch den edelsten Theil seiner Freuden und den grossen Trost – Unsterblichkeit!“
FRITSCH, Karl: Das botanische Museum und der botanische Garten der k. k. Universität Wien (Lehrkanzel für systematische Botanik). Wien 1894. Exemplar im Bestand der UB Wien
GICKLHORN, Josef: 100 Jahre Zoologisch-Botanische Gesellschaft in Wien. In: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien 92 (1951). S. 7–24. Online verfügbar
LACK, Hans Walter: Das Herbar der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien. In: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich 143 (2006). S. 119–131. Online verfügbar
PETZ-GRABENBAUER, Maria: Eine Huldigung an die Wissenschaft – ein Kriegsopfer. Zur Geschichte des k.k. Botanischen Museums im Botanischen Garten der Universität Wien. In: Seidl, Johannes / Kästner, Ingrid (Hrsg.): Tauschen und Schenken. Wissenschaftliche Sammlungen als Resultat europäischer Zusammenarbeit. Düren 2020 (= Europäische Wissenschaftsbeziehungen 20). S. 197–212. Exemplare im Bestand der UB Wien
RIEDL-DORN, Christa: Ein "uomo universale" des 19. Jahrhunderts und sein wissenschaftliches Netzwerk. Stephan Ladislaus Endlicher und seine Korrespondenz mit Wissenschaftlern seiner Zeit. Göttingen 2019. (= Schriften des Archivs der Universität Wien 26). Exemplare im Bestand der UB Wien
WETTSTEIN, Richard von: Das botanische Studium an der Wiener Universität. Lehrkanzel für systematische Botanik. In: Oesterreichisch-Ungarische Revue N.F. 6 (1889). S. 170–174. Exemplar im Bestand der UB Wien
Text: Mag. Matthias Svojtka | Foto oben: Fritz Kerner von Marilaun (1892), Foto unten: Rudolf Lechner (1903)