Selenmedaille auf Johann Jakob Berzelius

Selenmedaille auf Johann Jakob Berzelius

Medaille, Johann (Jöns) Jakob Berzelius (ohne Datum; nach 1826)
Künstler: Johann Baptist Batka
Größe: 32,3 x 28,1 mm
Gewicht: 6,96 g
Material: Selen
Vorderseite: BERZELIUS. Kopf des J. J. Berzelius nach links
Rückseite: BATK[A] / dedic.
Inv.-Nr.: B.0095
Aus der Numismatischen Sammlung


Einen bedeutender Bestand der Sammlung des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien bildet die Münz- und Medaillensammlung des in Triest wirkenden Augenarztes Dr. Josef Brettauer (1835–1905). Diese 1907 von den Erben Brettauers der Universität Wien gestiftete Sammlung umfasst fast 7.000 numismatische Objekte zum Thema „Medicina in Nummis“ und ist eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen auf diesem Gebiet (katalogisiert von Eduard Holzmair 1937). In dieser Sammlung befinden sich unter anderem Medaillen zur Erinnerung an Ärzte und Naturwissenschaftler aus verschiedenen historischen und geographischen Bereichen.

Zu den Wissenschaftlern, zu denen die Sammlung Brettauer Medaillen enthält, gehört u.a. der schwedische Mediziner und Chemiker Johann (Jöns) Jakob von Berzelius (1779–1848), der neben Robert Boyle, John Dalton und Antoine Lavoisier zu den Begründern der modernen Chemie zählt. Bekannt ist Berzelius insbesondere für die Bestimmung der Atommassen chemischer Elemente sowie seine Beiträge zur elektrochemischen Theorie. Zur Unterstützung seiner Experimente entwickelte Berzelius ein System chemischer Elementsymbole, das noch heute verwendet wird. Elemente werden dabei durch den Anfangsbuchstaben oder den ersten Buchstaben und einen weiteren Buchstaben ihres lateinischen Namens bezeichnet, beispielsweise "H" für "Hydrogenium" (Wasserstoff), "O" für "Oxygenium" (Sauerstoff), "Fe" für "Ferrum" (Eisen) und "Pb" für "Plumbum" (Blei). In diesem System wird die Atomanzahl in der chemischen Formel eines Stoffes nach dem Elementsymbol angegeben, beispielsweise H2O für Wasser. Berzelius gilt auch als Entdecker der chemischen Elemente Cer (Ce), Selen (Se) und Thorium (Th).

Zum Gedenken an Berzelius wurden nicht nur in seiner Heimat, sondern auch in anderen Teilen Europas Medaillen mit unterschiedlichen Motiven und aus verschiedenen Materialien hergestellt. Die Sammlung Brettauer der Universität Wien beherbergt elf Berzelius gewidmete Objekte, von denen zwei kleine Medaillen besondere Aufmerksamkeit verdienen und zu einer Reihe höchst kurioser numismatischer Produktionen des 19. Jahrhunderts gehören. Diese sind nicht aus einem herkömmlichen Material wie Gold, Silber oder Kupfer hergestellt, sondern aus dem 1817 von Berzelius selbst entdeckten Element Selen: ein Halbmetall mit dem Symbol "Se" und der Ordnungszahl 34, dessen stabilste allotrope Modifikation in einer grauen, metallähnlichen Form auftritt.

Hergestellt wurden die Selenmedaillen auf Berzelius von Johann Baptist (Jan Křtitel) Batka (1794–1876), einem renommierten Prager Apotheker, der damals nicht nur für seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Pharmakologie bekannt war, sondern auch für die Herstellung chemischer und physikalischer Instrumente in der 1759 von seinem Großvater gegründeten Firma Wenzel Batka in Prag (siehe Obermajer 1974; Obermajer/Krizek 1982; Roth 2017; Auer 2017). In Böhmen wurde in den 1820er Jahren Selen aus dem Schlamm von Schwefelsäurefabriken gewonnen. Johann Baptist Batka, der Berzelius sehr schätzte, erweiterte 1825 sein Lieferprogramm um das graue Selen und verkaufte es zunächst in Form kleiner gegossener Berzelius-Büsten im Gewicht von etwa einem Lot (in Österreich 17,5 g) für 20 Gulden, bald aber auch in Form kleiner, ovaler Medaillen für 8 Gulden (Auer 2017).

Die Batka'schen Selenmedaillen auf Berzelius stellen auf der Vorderseite ein Porträt des Johann Jakob Berzelius nach links dar, mit seinem Namen (BERZELIUS) darunter. Ihre zweizeilige Legende auf der Rückseite lautet „BATKA / dedic.“. Die beiden Selenmedaillen auf Berzelius in der Sammlung Brettauer stellen zwei unterschiedliche Varianten dar. Die frühere Variante (Inv.-Nr. B.0093; Holzmair 1937, Nr. 93) zeigt auf der Vorderseite eine Büste des Berzelius nach dem Vorbild einer 1817 vom Wiener Medailleur und Bildhauer Leonhard Posch angefertigten Medaille (vgl. Holzmair 1937, Nr. 92). Die spätere Variante (Inv.-Nr. B.0095; Holzmair 1937, Nr. 95; Foto oben) hingegen zeigt einen Kopf des Berzelius nach dem Vorbild der Medaillen des deutschen Medailleurs Johann Wilhelm Kirchner, die 1830 von der Firma Gottfried Bernhard Loos in Berlin in Silber und Bronze hergestellt wurden.

Auch von Kirchners Medaille sind zwei Exemplare aus Silber und Bronze in der Sammlung Brettauer zu finden (Inv.-Nr. B.0094 und B.0094A; Holzmair 1937, Nr. 94; Foto unten). Die Vorderseite stellt einen Kopf des Johann Jakob Berzelius nach links dar, mit der lateinischen Legende „IO. IAC. BERZELIVS // NAT. OSTROGOTH. D. XX M. AVG. MDCCLXXIX“ und der Signatur „W. KIRCHNER F. / G. LOOS DIR.“ unterhalb des Porträts. Die Rückseite trägt die Legende „PONDERA ET NVMEROS INVESTIGAVIT“ und die Jahreszahl „MDCCCXXX“ und zeigt eine Waage, die auf Berzelius Bestimmung der Atommassen chemischer Elemente anspielt (siehe Kluyskens 1859, Bd. I, S. 119, Nr. 2 (mit Abb.); Hildebrand 1860, S. 345, Nr. 1; Rudolphi/Duisburg 1862, S. 214, Nr. DLXXI/2; Hyckert 1905, Bd. II, S. 130, Nr. 2, Taf. 78, 3; St. 338; Lagerqvist/Nordlind 2007, Nr. 28-29; Nilsson 2011, S. 50, Nr. 64.).

Künstler: Johann Wilhelm Kirchner / Hersteller: Firma Gottfried Bernhard Loos, Berlin / Größe: 41,6 mm / Gewicht: 26,06 g / Material: Silber / Inv.-Nr.: B.0094

Im Rahmen des Projekts „Kulturerbe digital“ an der Universität Wien werden aktuell die Personenmedaillen aus der Sammlung Brettauer („Medicina in Nummis“) am Institut für Numismatik und Geldgeschichte aufgearbeitet und digitalisiert. Ziel des vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) finanzierten Projektes ist es, die Dateneinträge und Fotos dieser Medaillen im Interaktiven Katalog des Münzkabinetts (IKMK) sowie im universitätsweiten Langzeitarchivierungssystem PHAIDRA, im Kulturpool Austria und im Portal EUROPEANA weltweit öffentlich zur Verfügung zu stellen.

Literatur:

AUER, Eberhard: Leserbrief zu Stefan Roth: Eine Selenmedaille auf Jöns Jakob Berzelius, in: Geldgeschichtliche Nachrichten, Jg. 52, Heft 292, Juli 2017, S. 236–237.

HILDEBRAND, Emil: Minnespenningar öfver enskilda Svenska Män och Qvinnor, Stockholm 1860.

HOLZMAIR, Eduard: Katalog der Sammlung Dr. Josef Brettauer: Medicina in Nummis, Wien 1937 (Nachdruck 1989).

HYCKERT, Edvard: Minnespenningar öfver enskilda Svenska Män och Kvinnor, Numismatiska Meddelanden XVII, Stockholm 1905.

KLUYSKENS, Hippolyte: Des hommes célèbres dans les arts et des médailles qui consacrent leur souvenir, 2 Bände, Gent 1859.

LAGERQVIST, Lars O.; NORDLIND, Ulf: Medicina in nummis. Svenska Läkaresällskapets Medaljsamling med medicinska motiv, Stockholm 2007.

NILSSON, Harald: Erik Wallers medaljsamling, Uppsala University Coin Cabinet Working Papers 4, Uppsala 2011.

OBERMAJER, Jaroslav: Batkovy medaile k pocte J. J. Berzlia. In: Numismatické Listy, Jg. 29, Heft 5–6, 1974, S. 78–79.

OBERMAJER, Jaroslav; KRIZEK, Vladimir: Historia rerum naturalium in nummis: Die Batkaschen Selenmedaillen, Die Entwicklung des medizinhistorischen Unterrichts. In: Wissenschaftliche Beiträge der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Nr. 6 (E 43), 1982, S. 235–246.

ROTH, Stefan: Eine Selenmedaille auf Jöns Jakob Berzelius, in: Geldgeschichtliche Nachrichten, Jg. 52, Heft 289, Januar 2017, S. 47.

RUDOLPHI, Karl Asmund; DUISBURG, Carl Ludwig: C. A. Rudolphi Recentioris aevi numismata virorum de rebus medicis et physicis meritorum memoriam servantia, denuo edidit emendavit et auxit Carol. Ludov. de Duisburg, Danzig 1862.

Selenmedaille auf Johann Jakob Berzelius

Text: Ehsan Shavarebi, MA | Fotos: Markus Greif, BA