Brief von Theodor Bindtner an Richard Wettstein, 23. Februar 1901
Typoskript mit handschriftlichen Anmerkungen und eigenhändiger Unterschrift
1 Blatt, 2 Seiten
Maße: 29 (H) x 23 (B) cm
Signatur: UAW, 131.32.01.0283, Nachlass Richard Wettstein
Aus dem Archiv der Universität Wien
Das hier vorgestellte Schreiben entstand im Zuge der Vorbereitungen für eine von dem Professor für Botanik und Leiter des Botanischen Gartens der Universität Wien Richard Wettstein (1863–1931) geleitete Forschungsreise nach Brasilien im Jahr 1901. Neben zahlreichen Bewerbungen junger Männer, die sich als Gehilfen anboten, finden sich in diesem Zusammenhang auch Schreiben von Universitäten, wissenschaftlichen Vereinigungen, Versicherungsanstalten und Reisebüros. Besonders hervorzuheben ist ein Brief des k. u. k. Mineralwasser-Hoflieferanten Heinrich von Mattoni, der seine bekannte Marke "Gießhübler Sauerbrunn" für die Expedition zur Verfügung stellte. Damit wurde eines der renommiertesten Mineralwassermarken der Donaumonarchie – bereits um 1880 europaweit geschätzt – sogar bis nach Südamerika exportiert. Neben der Versorgung mit Wasser war auch die Ausrüstung mit Waffen ein zentraler Bestandteil der Reiseplanung. Als beauftragte Firma kam dafür der k. u. k. Hof-Spediteur Theodor Bindtner ins Spiel. Jene 1815 gegründete Firma hatte ihren Sitz in der Fichtengasse 6 in Wien (Kolowratring) und verfügte über drei weitere Filialen in der Stadt.
Im vorliegenden Schreiben vom 23.02.1901 informiert das Unternehmen über den geplanten Versand diverser Forschungsrequisiten sowie Kisten mit Pulvermunition und fertigen Patronen. Diesbezüglich wird eine detaillierte Beschreibung darüber gegeben, wie die Sendung verpackt wird und welches Füllmaterial zur Anwendung kommt, so dass „ein Schlottern“ in den Kartons und Kisten vermieden werden kann. Darüber hinaus wird auf die Notwendigkeit einer speziellen Einfuhrgenehmigung für Schießpulver und Munition in Brasilien hingewiesen. Die Sendung soll von Wien über Triest in die südamerikanische Hafenstadt Santos geliefert werden. In einem weiteren Brief vom 03.03.1901 wird das Ausmaß jener Waffenlieferung deutlich. So handelt es sich dabei um 550 Stück Gewehrpatronen, welche – so wird berichtet - „anstandslos zur Verschiffung zugelassen w[erden]“. Diese Korrespondenz dokumentiert eindrucksvoll den erheblichen logistischen Aufwand, der mit wissenschaftlichen Expeditionen um 1900 verbunden war. Weitere Schreiben von Verwandten, Bekannten und Kollegen, die Richard Wettstein vor, während und nach der Brasilienreise erhielt, geben weitere Hinweise auf die Außergewöhnlichkeit jener Unternehmung für das berufliche wie private Leben des Botanikers.
Der hier gezeigte Brief stammt aus einem bislang unerschlossenen Bestand des Archivs der Universität Wien, der Richard Wettstein zugeordnet ist. Wettstein wurde 1899 zum Professor für Systematische Botanik an die Universität Wien berufen und leitete bis zu seinem Tod das Botanische Institut sowie den Botanischen Garten der Universität Wien. Die erhaltene Korrespondenz gibt Einblicke in sein wissenschaftliches Netzwerk, seine organisatorischen Tätigkeiten und persönlichen Lebensumstände. Besonders der Reiseverkehr, die Expeditionstätigkeit und der Austausch mit internationalen Forschungseinrichtungen spiegeln sich im Bestand wider und lassen wichtige Aspekte des akademischen Lebens in der Habsburgermonarchie sichtbar werden. Im Arkadenhof der Universität Wien wurde im Jahre 1963 eine von Hans Bitterlich gestaltete Gedenktafel für den Botaniker enthüllt. Aufgrund Richard Wettsteins Naheverhältnis zu Antisemitismus und Deutschnationalismus wurde die Ehrung 2022/23 von der Universität Wien als „diskussionswürdig“ eingestuft.
Im Rahmen des Projekts „Kulturerbe digital“ an der Universität Wien wird im Universitätsarchiv der Nachlass Wettstein aktuell systematisch digitalisiert und archivarisch erschlossen. Der Bestand umfasst rund 7.000 Briefe von Fachkolleg*innen, wissenschaftlichen Gesellschaften, Verlagen, Vereinen, Familienangehörigen sowie bislang unbekannten Verfasser*innen. Durch die Digitalisierung und Erschließung dieser Korrespondenzen wird nicht nur der berufliche Werdegang Wettsteins, sondern auch seine öffentliche Wahrnehmung und seine Rolle als Ehemann und Vater dreier Kinder greifbar gemacht. Ziel des vom Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (BMWKMS) geförderten Projekts ist es, die digitalisierten Briefe in der Datenbank des Universitätsarchivs, im nationalen Portal "Kulturpool" sowie in EUROPEANA öffentlich zugänglich zu machen.
JÄGER-SUNSTENAU, Hanns: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien 1992 (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Band 23), S. 84. Exemplare im Bestand der UB Wien
JANCHEN, Erwin: Richard Wettstein. Sein Leben und Wirken. Wien 1933. Exemplare im Bestand der UB Wien
MAISEL, Thomas: Gelehrte in Stein und Bronze. Die Denkmäler im Arkadenhof der Universität Wien. Wien 2007, S. 42. Exemplare im Bestand der UB Wien
PETZ-GRABENBAUER, Maria: Richard von Wettstein als Direktor des Botanischen Gartens der Universität Wien, Volksbildner und Politiker. In: Mensch – Wissenschaft – Magie. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte (ÖGW), Wien 2000. Exemplare im Bestand der UB Wien
PLANER, Franz (Hg.): Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Wien 1929. Exemplare im Bestand der UB Wien
WETTSTEIN, Richard: Vegetationsbilder aus Südbrasilien. Leipzig und Wien 1904. Online verfügbar
WETTSTEIN, Richard / SCHIFFNER, Viktor (Hg.): Ergebnisse der botanischen Expedition der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften nach Südbrasilien 1901. Wien 1908.
Österreichische Akademie der Wissenschaften, Almanach. Band 82, Wien 1932, S. 295. Exemplare im Bestand der UB Wien
Text: Jana Wibmer | Scans: Archiv der Universität Wien