Großer Uhrwerk-Heliostat, um 1850
Pistor & Martins, Berlin
Messing
Höhe: 52 cm
Aus der Historischen Sammlung der Fakultät für Physik
Die Bezeichnung Heliostat findet sich erstmals 1719 in einem Lehrbuch des holländischen Astronomen Willem Jacob s'Gravesande (1688–1742). Die Erfindung des Heliostaten liegt vermutlich jedoch noch weiter zurück. Bereits um 1700 experimentierte der deutsche Physiker Daniel Gabriel Fahrenheit (1686–1736) mit ortsfesten Sonnenstrahlen für optische Versuche. 1823 wird ein Heliostat von Henri Prudence Gambey (1787–1847) in Paris ausgezeichnet. Für eine verbesserte Version des Heliostaten sorgte 1843 unter anderem auch Jean Thiébault Silbermann (1806–1865).
Wie die Bezeichnung Heliostat bereits andeutet, ist es Aufgabe dieses Gerätes, die scheinbare Bewegung der Sonne um die Erde so auszugleichen, dass Sonnenlicht einem ortsfesten Punkt, zum Beispiel einem Spektralapparat, zugeleitet werden kann. Mit Hilfe eines Heliostaten wird es überflüssig, experimentelle Apparaturen immer wieder dem Stand der Sonne entsprechend neu auszurichten. Die Sonnenstrahlen werden vom kreisrunden Spiegel (im Bild oben rechts) zur Experimentieranordnung reflektiert. Mit Hilfe des Uhrwerks, dessen kleines Zahnrad den mit der Gradskala versehenen großen Ring dreht, wird der Spiegel der Sonne nachgeführt. Die Drehachse des Skalenrings muss dafür zur Erdachse parallel ausgerichtet werden. Dazu kippt man den Drehteil entsprechend der geografischen Breite um eine horizontale Achse.
Für die Verwendung von Heliostaten speziell im 19. Jahrhundert gibt es zwei Gründe:
Zum einen waren gute künstliche Lichtquellen noch nicht vorhanden - abgesehen von der (batteriebetriebenen) Kohlebogenlampe, gute Glühbirnen gibt es erst ab 1880 - und daher wurde häufig das natürliche Sonnenlicht für optische Experimente verwendet.
Zum anderen war es seit der Entdeckung der Fraunhoferlinien im Jahre 1815 von besonderem Interesse, das Sonnenspektrum zu analysieren. Bestimmte chemische Elemente in der Sonne konnten so aufgrund ihrer Wellenlänge identifiziert werden (Kirchhoff, Bunsen 1861).
Es dürfte kein Zufall sein, dass zwischen 1860 und 1865 im K.K. Physikalischen Institut der Universität Wien gleich mehrere neue Spektralapparate angeschafft wurden, denn für deren Betrieb ist ein guter Heliostat Voraussetzung. 1852 bis 1866 war Andreas von Ettingshausen (1796–1878) Leiter des K.K. Physikalischen Institutes. Er gilt unter anderem auch als Förderer der Optik. Ihm folgt von 1866–1893 Josef Stefan (1835–1893), der als vielseitiger Physiker auch zahlreiche optische Untersuchungen zur Polarisation, Interferenz, Beugung und Doppelbrechung des Lichtes durchführte. Neben dem vorgestellten Heliostaten gibt es in der Historischen Sammlung der Fakultät für Physik noch drei weitere, jedoch kleinere Heliostaten (nach Silbermann, nach Stampfer und Fa. Fuess).
Heutzutage werden Heliostaten auch außerhalb der Wissenschaft gebraucht: für Sonnenkraftwerke oder auch für eine gezielte Einleitung des Sonnenlichts in verschiedene Gebäude. Hierbei handelt es sich um computergesteuerte Heliostaten, die bis zu mehreren Quadratmetern Spiegelfläche haben können.
Obiges Objekt ist neben vielen anderen Objekten der Historischen Sammlung der Fakultät für Physik ab 30. Mai 2010 im neugegründeten Europäischen Zentrum für Physikgeschichte (echophysics) in Pöllau zu besichtigen.
Schloss 1
8225 Pöllau bei Hartberg
Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 17:00 Uhr
Erwachsene/Kinder 3,5 EUR/1,5 EUR
Gruppen, Schüler und Studenten 3,00 EUR