Abklatsche einer Inschrift von Megara

Abklatsche einer Inschrift von Megara

Original: Zwei Blöcke einer mehrstufigen Basis aus grauem Marmor mit griechischer Inschrift (heute weitgehend zerstört)
Fundort: Nordwesten der Stadt Megara (Griechenland)
Maße: H 28 x T 80 x L 127 cm (Block a) bzw. 126 cm (Block b)
Aus der Sammlung des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik


Mit der Methode des "Abklatschens" kann die Inschrift eines Steines auf Papier übertragen werden. Dabei wird nach der Reinigung der Oberfläche des Steins dünnes, leimfreies Spezialpapier gut angefeuchtet und auf die Schriftfläche gelegt. Durch Schläge mit einer festen Stielbürste mit steifen Borsten auf das Papier dringt dieses in die Vertiefungen der Inschrift ein, wodurch ein Negativabdruck entsteht. Ist das Papier getrocknet, kann es abgenommen und gerollt oder gefaltet werden. Das Verfahren des Papierabklatsches ist nach wie vor das einfachste und verlässlichste Mittel zur genauen und langfristigen Dokumentation von Inschriften. Gut gelagert sind Abklatsche noch nach weit mehr als 100 Jahren in gutem Zustand und können der Forschung von Nutzen sein.

Abklatsche sind das Herzstück jeder altertumskundlichen Sammlung. Auch die Sammlung unseres Instituts hat mehrere hundert Abklatsche in ihrem Inventar. Sie gehen zum großen Teil auf Emanuel Loewy  (1857–1938) zurück; einen Archäologen, der sich während seines Studiums als Schüler von Alexander Conze (1831–1914), Otto Hirschfeld (1843–1922) und Otto Benndorf (1838–1907) intensiv mit Inschriften griechischer Bildhauer beschäftigt und darüber auch seine Dissertation verfasst hat (Untersuchungen zur Geschichte griechischer Künstler, 1882). Im Jahre 1885 veröffentlichte er überdies seine im Verlag von B. G. Teubner in Leipzig erschienene grundlegende Studie zu Inschriften griechischer Bildhauer (Exemplare im Bestand der UB Wien), für die er auf eine Sammlung von Abklatschen zurückgreifen konnte. Otto Benndorf hatte sie gemeinsam mit Kollegen während eines mehrjährigen Aufenthalts als Stipendiat in Rom in den frühen 1860er Jahren zusammengetragen und Emanuel Loewy zur Verfügung gestellt. Dieser erweiterte die Sammlung, deren Reste heute den ältesten Bestand unserer Institutssammlung bilden.

Die hier besprochenen Abklatsche stammen von einer Inschrift aus Megara von der obersten Reihe einer mehrstufigen Basis, auf der einst eine Statuengruppe des Lysipp  stand: die Künstlersignatur findet sich in sehr kleiner Schrift auf Block a. Diese Plastik lässt sich eventuell mit einer Textstelle des antiken Schriftstellers Pausanias (1,43,6) in Verbindung bringen, nach welcher Lysipp in einem nicht näher benannten Tempel in Megara eine Gruppe von Musen und einen bronzenen Zeus geschaffen hat.

Die Inschrift besagt:

Block aBlock bÜbersetzung
Θηραμένης
Λύσιππος ἐποίει.
Τιμοξένου ἀνέθηκε.Theramenes, Sohn des Timoxenos,
weihte [dies]. – Lysipp fertigte [es].
Im Zuge von Arbeiten zu einer Neuedition des im Jahre 1868 von Johannes Overbeck (1826–1895) bei Wilhelm Engelmann in Leipzig herausgegebenen Werkes Die antiken Schriftquellen zur Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen (Exemplare im Bestand der UB Wien) stellte sich im letzten Jahr heraus, dass viele der darin behandelten Inschriften heute verschollen oder in äußerst schlechtem Zustand erhalten sind und Loewys Abklatsche für die Wissenschaft daher unentbehrlich machen. Sie treten damit an die Stelle der Originale.

Auch die Inschrift aus Megara ist heute im Original weitgehend zerstört und nur mehr durch die Wiener Abklatsche überliefert. Zur Sicherung dieser und mehr als 20 weiterer wertvoller Abklatsche, deren Originale heute nicht mehr vorhanden sind, wurden die Objekte im Jahr 2013 aus Mitteln der DLE Bibliotheks- und Archivwesen zur Bestandserhaltung und Restaurierung von Sammlungsbeständen der Universität Wien von Foto Leutner  digital aufgenommen, um in der Neuedition anstelle der Originale abgebildet zu werden.

Der Autor dankt Sebastian Prignitz für Informationen aus dem in Druck befindlichen Werk: S. Kansteiner u. a. (Hrsg.): Der Neue Overbeck. Kommentierte Neuedition der griechischen und lateinischen Schriftquellen zur antiken Bildhauerei und Malerei, 5 Bände (Berlin 2014); Band 3 (Exemplar im Bestand der UB Wien) s. u. Lysipp (Λύσιππος) aus Sikyon, Nr. 18, 2189 (IG VII 38).

Text: Ass.-Prof. Mag. Dr. Hubert Szemethy; Foto: Foto Leutner, Wien