Orationes Viennae Austriae ad divum Maximilianum Caes. Aug. aliosque illustrissimos principes habitae in celeberrimo trium regum ad Caesarem conventu
Begrüßungsansprachen der Wiener Universität für Teilnehmer am "Wiener Kongress" 1515. Herausgegeben von Hieronymus Vietor, Wien 1516
Format: 4°
Signatur: I-261486
Aus der Sammlung Alte und wertvolle Bestände der UB Wien
Auch vor 500 Jahren feierte die Universität Wien - freilich nicht ihr 150-jähriges Bestehen. Nach mehrjähriger diplomatischer Vorbereitung kam es im Juli 1515 in Wien zu einem Treffen zwischen Kaiser Maximilian I. (1459–1519) und den Jagiellonenkönigen Sigismund I. von Polen (1467–1548) und Wladislaw II. von Ungarn und Böhmen, bei dem - von Festbanketten und Turnieren begleitet - ein gegen Bedrohungen aus dem Osten gerichtetes Freundschaftsbündnis geschlossen und mit einer Doppelhochzeit im Stephansdom besiegelt wurde: Am 22. Juli 1515 gab Maximilian stellvertretend für einen seiner Enkel der Tochter Wladislaws, der zwölfjährigen Anna, ein Heiratsversprechen (dem im Jahr 1521 die Hochzeit mit Erzherzog Ferdinand folgte). Maximilians Enkelin Maria wurde mit Wladislaws Sohn Ludwig vermählt. Als dieser 1526 auf dem Rückzug aus der Schlacht von Mohács starb, fielen Böhmen und (Ober-)Ungarn als jagiellonisches Erbe an Ferdinand I. (1503–1564). Das als "erster Wiener Kongress" bezeichnete Fürstentreffen lässt sich daher rückblickend als Geburtsstunde der Donaumonarchie betrachten.
Die Universität Wien konnte bei einem solchen Ereignis nicht abseits stehen: Besuche des (nicht ständig in Wien residierenden) Landesfürsten brachten stets die Verpflichtung zu einer Loyalitätskundgebung in Form (lateinischer) Begrüßungsansprachen, wie sie handschriftlich schon von Thomas Ebendorfer (1388–1464) vorliegen. 1515 vervielfachte sich dies durch die große Zahl hoher Gäste (Jagiellonenkönige, Bayernherzöge und geistliche Würdenträger), die bei ihrem Eintreffen von Magistri der Artistenfakultät mit lateinischen Reden empfangen wurden. Über die zeremonielle Bedeutung hinaus boten diese Auftritte den Rednern Gelegenheit, sich zu profilieren - nicht zuletzt in Hinblick auf eine Anstellung im Umfeld der Begrüßten: lateinische Sprachkompetenz war in Kanzleien gefragt, Latein kam als Kommunikationsmedium gerade auch auf dem Wiener Fürstentag zum Einsatz. Anvisiert waren daher auch die im Dienst der Gäste stehenden Gelehrten, die in ihren Berichten die Leistung der Wiener Redner positiv beurteilten. Auf Seiten der Fürsten selbst dürfte das Interesse an rhetorischen Prunkstücken gering gewesen sein: Maximilian fand keine Zeit zum Anhören der ihm gewidmeten Rede, versicherte der Universität aber sein Wohlwollen.
Wenn die Redner Bildung und Bildungsförderung als wichtige Herrschertugenden lobten und die Fürsten so zu vereinnahmen suchten, lag es für die Universität nahe, die zum Teil bereits während des Kongresses in Einzeldrucken erschienenen Reden gebündelt zur Selbstdarstellung zu nützen: zu einer Sammelausgabe vereint wurden sie im Jänner 1516 mit einer Widmung des amtierenden Rektors Christoph Kulber an Kardinal Matthäus Lang neu gedruckt. Eine treibende Kraft dieses Publikationsunternehmens dürfte Joachim Vadianus (de Watt; 1484–1551) gewesen sein, der die Begrüßung Maximilians und Sigismunds übernommen hatte und als Nachfolger des Conrad Celtis († 1508) auf dem Lehrstuhl für Poetik an einem humanistischen Image der Universität interessiert war. Die an der klassischen Antike orientierten Reden lesen sich in der geschlossenen Präsentation als Leistungsschau eines modernen Bildungsideals. Mit jeweils gesonderten Widmungen und Empfehlungsgedichten von Kollegen stellen sie Netzwerke zur Schau und suggerieren Sichtbarkeit und Bedeutung auf der Bühne der Politik. Der Anlass erschien jedenfalls wichtig genug, um in die erste Geschichte der Universität, den 1559 gedruckten Rektorenkatalog des Georg Eder (1523–1587), mit einer Liste der Redner aufgenommen zu werden.
Die Sammelausgabe, in der 17 Magistri mit insgesamt 22 Reden (angeordnet nach dem Rang der Adressaten) vertreten sind, stammt aus der Offizin des Wiener Druckers Hieronymus Vietor (1480–1546). Sie wurde von den Brüdern Leonhard († 1518) und Lukas Alantsee († 1522) finanziert, ihr Verlegerzeichen erscheint am Ende. Das Titelblatt zeigt einen von Vietor mehrfach verwendeten Holzschnittrahmen mit Fabelwesen und seinem Signetschild; mehrere Reden beginnen mit kleinen Holzschnittinitialen. Den einzigen Schönheitsfehler des Drucks bilden Lücken, die mangels griechischer Lettern zur handschriftlichen Ergänzung griechischer Zitate gelassen sind.
Das Exemplar der UB Wien ist Teil eines umfangreichen Humanistica-Bestandes, der 1899 aus der Bibliothek des Theresianums angekauft wurde. Es enthält mit Eintragungen in braunroter Tinte Spuren eines zeitgenössischen Lesers, der wohl selbst im gelehrten (universitären?) Milieu zu verorten ist: Die Sentenz, dass niemand besser regiere als ein gebildeter Herrscher (nemo melius quam litteratus imperat), entsprach offenkundig sosehr seiner Überzeugung, dass er sie nicht nur im Text unterstrichen, sondern auch am Rand notiert hat.
Aus Anlass des 500-jährigen Jubiläums des Wiener Fürstentreffens hat die Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien in Kooperation mit dem Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien , dem Tschechischen Zentrum Wien , dem Slowakischen Institut in Wien , dem Balassi Institut – Collegium Hungaricum Wien sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien eine virtuelle Ausstellung gestaltet, in der auch Drucke aus dem Altbuchbestand der Universitätsbibliothek Wien zu sehen sind.
Text und Fotos: ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Elisabeth Klecker