Fotoalbum zum 70. Geburtstag von Eugen Bormann

Fotoalbum zum 70. Geburtstag von Eugen Bormann

Kartonage mit beschichtetem Gewebe, Buchschmuck von Bertold Löffler (1874–1960), Wien 1912
34 Seiten mit 189 Porträtfotografien, großteils signiert und beschriftet
Maße: 28 x 26 x 7 cm
Aufbewahrung: Holzkassette, innen wattiert, ausgeschlagen mit silbergrauem Satin
Inv.-Nr.: F0002
Aus der Sammlung des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik


Ehrungen zu runden Geburtstagen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Universitäten sind bis heute eine akademische Gepflogenheit. Stehen in der gegenwärtigen Tradition vor allem Festschriften - dargebracht von Kollegen, Schülern und Freunden, nur in seltenen Fällen von aktiven Studierenden - an erster Stelle der "Geschenke", war vor über einem Jahrhundert sowohl der Kreis der Überbringer breiter als auch die Palette der Festgaben eine vielfältigere. Neben gedruckten Festschriften dienten damals künstlerische Porträts der Jubilare, ausgeführt von renommierten Künstlern auf Papier, Leinwand oder Medaillen, und Fotoalben dazu, die persönlichen Beziehungen zum Beschenkten aufzuzeigen - so auch dieses Album.

Eugen Bormann (1842–1917) war von 1885 bis 1914 Lehrstuhlinhaber für Alte Geschichte und Epigraphik am damaligen "Archaeologisch-Epigraphischen Seminar" der Wiener Universität, das 1876 vom Archäologen Alexander Conze (1831–1914) und dem Althistoriker Otto Hirschfeld (1843–1922) gegründet worden war. 1984 kam es zur Teilung des seit 1956 als "Institut für Alte Geschichte, Archäologie und Epigraphik" benannten Instituts und zur Bildung der Institute "Klassische Archäologie" und "Alte Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik". Letzteres erhielt im Jahr 2005 mit der Einrichtung einer Professur für Alte Geschichte und Papyrologie seinen heutigen Namen.

Aus Anlass des 70. Geburtstages von Eugen Bormann richtete die Universität Wien eine Feier im kleinen Festsaal aus, in deren Rahmen dem Jubilar eine Holzkassette mit dem Fotoalbum überreicht wurde. Dieses Album ist in Leporello-Technik ausgeführt. Die einzelnen Seiten werden von einem Gewebe in Leinwandbindung mit blauer Beschichtung zusammengehalten.

Die ersten beiden Seiten schmücken Auftragsarbeiten des Künstlers Bertold Löffler (1874–1960). Der aus Nordböhmen stammende Künstler studierte unter anderem bei Franz von Matsch (1861–1942) und Koloman Moser (1868–1918) an der Wiener Kunstgewerbeschule und bildete hier später selbst als lehrender Professor namhafte Künstler wie Oskar Kokoschka (1886–1980) und Rudolf Kalvach (1883–1932) aus. Löffler ist vor allem durch seine zahlreichen Illustrationen und dekorativ grafischen Arbeiten bekannt, war Mitglied der Wiener Werkstätte und arbeitete mit Josef Hoffmann (1870–1956) zusammen. Der Buchschmuck der ersten Seite im Fotoalbum verweist auf den Anlass, jener der folgenden Seite, in dessen Zentrum ein Putto steht, durch die lateinische Beischrift auf den von den Studierenden allseits geschätzten Lehrer.

Die nachfolgenden 32 Seiten zeigen Porträtfotografien von 189 "Schülern". Das waren keinesfalls alle seine Studierenden, da für Bormann ca. 75 Hörer pro Studienjahr nachgewiesen werden können. Die Fotos sind meist von den Porträtierten selbst beschriftet, seltener von fremder Hand. In der Regel ist die Studienzeit im Seminar angeführt, manchmal auch ergänzt um Angaben zu Beruf oder Wirkungsort. Die meisten der Abgebildeten unterrichteten später an k. k. Gymnasien oder wirkten an Universitäten, manche sind aus leitenden Stellen in kulturhistorischen Institutionen bekannt. Die handschriftlichen Vermerke auf den Fotografien zeigen, dass auf jeden Fall schon 1899, also zwei Jahre nachdem Frauen an der Wiener Universität zum Studium zugelassen wurden, Hörerinnen das "Archaeologisch-Epigraphische Seminar" besuchten. Insgesamt sind elf Frauen im Album vertreten.

Zu den bekanntesten Schülern Bormanns, die im Fotoalbum abgebildet sind, zählen z. B. Michael Rostovtzeff (1870–1952), der 1895/96 Lehrveranstaltungen bei Bormann besuchte und ihm bald darauf sein erstes großes Werk widmete, Emil Reisch (1863–1933), der 1898 den Lehrstuhl der Klassischen Archäologie übernahm, Rudolf Münsterberg (1864–1926), Kustos und Direktor des Wiener Münzkabinetts, Anton von Premerstein (1869–1935), der mit seinen Arbeiten zum augusteischen Prinzipat international bekannt wurde, Peter von Bieńkowski (1865–1925), Mommsen-Schüler und später Inhaber des ersten polnischen Lehrstuhls für Klassische Archäologie in Krakau, Julius Jüthner (1866–1945), der seinen Forschungsschwerpunkt dem antiken Sport widmete, Stephan Brassloff (1875–1943), angesehener Rechtswissenschaftler, der in seinen eigenen Vorlesungen zum römischen Recht der Epigraphik große Bedeutung einräumt.

Neben seinem künstlerischen Wert repräsentiert dieses Album drei Jahrzehnte Institutsgeschichte und bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten für zukünftige Forschungsvorhaben, denn es öffnet bei näherer, über ein visuelles Betrachten hinausgehender Beschäftigung mit den darin dargestellten Personen ein Fenster in die Geschichte der Universität Wien.

Text: Claudia Jakauby; Foto: © Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik