Eiskalorimeter

Eiskalorimeter

Eiskalorimeter nach Lavoisier
Aus Messingblech, Stativ aus Stahl,
Ende 18. bis Mitte 19. Jahrhundert
Maße: 42 cm hoch, 29 cm größter Durchmesser
Aus der Historischen Sammlung der Fakultät für Physik


Es ist nur ein Blechtopf aus Messing mit Deckel und zwei Abflusshähnen, der auf einem stählernen Dreibein ruht, dennoch steckt eine großartige Geschichte dahinter. Öffnet man den großen Deckel, sieht man innen zwei weitere zylindrische Gefäße, wobei das innerste einen eigenen kleinen Deckel und einen Boden mit kleinen Löchern hat. Im Jahre 1780 stellen Antoine Laurent de Lavoisier  (1743–1794) und Pierre-Simon Laplace  (1749–1827) erstmals das Prinzip dieses Apparates der Pariser Akademie der Wissenschaften vor. Die Absicht ist, den Wärmestoff (das "Caloricum") zu messen. Etwas später wird diese Erfindung Eiskalorimeter genannt. Seine Funktion ist in der Querschnittszeichnung nach [1] ersichtlich.

Sowohl das Außengefäß A als auch das mittlere Gefäß B werden mit gestoßenem Eis der Temperatur 0°C gefüllt. In das Innengefäß wird im einfachsten Fall ein wärmerer oder heißer Körper bekannter Temperatur und Masse gelegt, und die Deckel werden verschlossen. Allmählich kühlt der Körper im Innengefäß C auf 0°C ab: seine abgegebene Wärme bringt eine gewisse Menge Eis im mittleren Gefäß B zum Schmelzen. Das Schmelzwasser wird über den zentralen Hahn abgelassen und gewogen und ist somit ein Maß für die im Innengefäß umgesetzte Wärme. Da damals die notwendige Wärmemenge, um beispielsweise ein Kilogramm Eis bei 0°C zu schmelzen, bereits bekannt ist, kann so der Wärmeinhalt (Wärmekapazität) verschiedener Stoffe quantifiziert werden. Das Eis im Außengefäß A dient nur zur Wärmeisolation, also dazu, den Einfluss äußerer Wärme auf die Innengefäße abzuhalten. Nur bei Außentemperaturen zwischen 0°C und +5°C ist daher diese Art von Kalorimeter relativ genau, weshalb Lavoisier und Laplace mit diesem Gerät im Winter experimentiert haben.
Sie bestimmten mit dem Eiskalorimeter nicht nur Wärmekapazitäten verschiedener Materialien, sondern auch Wärmetönungen chemischer Reaktionen oder etwa die Wärme, die ein lebendes Meerschweinchen freisetzt. Damit konnten sie erhärten, dass auch die Atmung eine Art von Verbrennungsprozess ist [2]. Das Versuchstier befand sich dafür in einem Drahtkorb im Innengefäß des Eiskalorimeters [3]. So konnte auch der Zusammenhang der tierischen Wärmeproduktion mit der Bildung von Kohlendioxid quantitativ untersucht werden. Mit diesen, aber auch vielen anderen Experimenten, war Lavoisier ein Pionier der physiologischen Chemie [4].

Lavoisier war in vielerlei Hinsicht Pionier: mit ihm wurde die Lehre der vier Elemente  endgültig zu Grabe getragen, denn er klärte die Zusammensetzung der Luft und des Wassers und vieler anderer Substanzen chemisch exakt. Er zeigte, dass Verbrennung Sauerstoffverbrauch bedeutet und nicht auf ein "Phlogiston"  (unwägbare brennbare Substanz) zurückzuführen ist.

Während der französischen Revolution wurde Lavoisier als Steuereintreiber angeklagt und hingerichtet. Sein Freund Joseph-Louis Lagrange  (1736–1813) beklagte dies mit den Worten: "Sie brauchten nur einen Moment, um diesen Kopf abzuschlagen, aber hundert Jahre genügen vielleicht nicht, einen ähnlichen hervorzubringen".

Literaturhinweise:

[1] JOCHMANN E. u. HERMES O.: Grundriss der Experimentalphysik. 4. Auflage, Verlag Winckelmann & Söhne, Berlin 1876, S. 216. Exemplare (anderer Auflagen) im Bestand der UB Wien
[2] HEERING P.: Das Eiskalorimeter. Physik in unserer Zeit 34, Heft 4 (2003), S. 187. Elektronische Zeitschrift im Bestand der UB Wien = DOI: 10.1002/piuz.200390080
[3] GLIKIN W.: Kalorimetrische Methodik, Verlag Gebrüder Borntraeger, Berlin 1911, S. 98. Exemplar im Bestand der UB Wien
[4] BÜTTNER J.: Der „Chemische Lebensprozeß“ gerät in den Blick der Chemiker: Die Anfänge der Physiologischen Chemie. Mitteilungen, Gesellschaft Deutscher Chemiker / Fachgruppe Geschichte der Chemie, Bd. 18 (2005), S. 18-30. Frei verfügbare elektronische Fassung

Ausstellungshinweis:

Das Eiskalorimeter nach Lavoisier ist zurzeit im Rahmen der Ausstellung Friert Euch nicht - Eine Reise unter Null  im Brennpunkt° – Museum der Heizkultur Wien  zu sehen.

Eiskalorimeter

Text und Fotos: Ass.-Prof. Mag. Dr. Franz Sachslehner