"TRENCSÉNTEPLICZ". Schwefelthermen und Schlammbäder.
Werbe-Broschüre, grafisch gestaltet von Árpád Bardócz, um 1911
56 Seiten mit zahlreichen SW-Fotos, farbigem Umschlag (signiert "Bardócz") und Beilagen
Maße: 14,5 x 21 cm
Inventarnr.: 3134
Aus der Fachbereichsbibliothek Pharmazie und Ernährungswissenschaften der Universität Wien
Trencsénteplicz.
Die Perle der Karpathen.
Radiumreiche naturheisse (36-42°) Schwefelquellen und Schlamm-Bäder.
Gegen Gicht, Rheuma, Exudate, Scrophulose, Neuralgien, Prurigo, Lues, etc.
Verlag der Badedirektion, o. J.
In den Beständen der Fachbereichsbibliothek Pharmazie und Ernährungswissenschaften der Universität Wien finden sich eine Reihe bisher weitgehend unbekannt gebliebener bibliophiler Kunst-Kostbarkeiten, darunter in der Separata-Abteilung auch ein Konvolut von über hundert Jahre alten Heilwässer-Analysen. Es besteht aus zweiundzwanzig braunen, außen rot beklebten Karton-Schubmappen (H 33 x B 9 x T 23 cm) mit nach Ländern geordneten, handschriftlichen Analyse-Blättern im Papierformat 19,5 x 23 cm von einer Vielzahl europäischer Heilwässer. Leider ließ sich bisher nicht klären, ob diese Analysen Auftragsarbeiten an das damalige Pharmakognostische Institut der Universität Wien waren bzw. von wem sie beauftragt und durchgeführt wurden. Kleine balneologisch-chemisch-kalligraphische Schmuckstücke sind sie aber jedenfalls!
Eine spezielle kulturgeschichtliche Rarität sind zwei weitere, identisch ausgeführte Mappen mit europäischen Heilbäder-Katalogen ganz unterschiedlicher Formate und Gestaltung aus dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, wobei das Schwergewicht auf dem Gebiet der damaligen österreichisch-ungarischen Monarchie liegt. Diese Kataloge wurden laut dem erhaltenen Original-Inventarbuch im Jahre 1911 vom damaligen Vorstand des Pharmakognostischen Institutes, Prof. Josef Moeller (1848–1924), der Institutsbibliothek übergeben. Das vorgestellte Objekt des Monats imponiert besonders durch seinen farbig-künstlerisch ausgeführten Umschlag. Es ist dem in der heutigen NW-Slowakei gelegenen Kurort "Trencsin-Teplitz", deutsch auch "Trentschin-Teplitz", ungarisch "Trencsén-Hölak", slowakisch "Trenčianske Teplice" gewidmet und kann auf die erste Jahreshälfte 1911 datiert werden.
Trencsénteplicz, seit dem Mittelalter für seine heißen Schwefelquellen bekannt, entwickelte sich im 19. Jahrhundert, als das Aufsuchen von Heilbädern zu Erholungszwecken für breitere Schichten in Mode kam, zum Badeort. 1835 erwarb der Wiener Bankier Georg Simon von Sina (1783–1856) die Herrschaft Trencsén von ihren Vorbesitzern, der Familie der Grafen Illéháza, um daraus einen Kur- und Sommerfrischeort nach dem Vorbild von Ischl zu machen. Der große Aufschwung kam jedoch erst mit der Ausbauphase der 1880er Jahre: Damals ließ die Enkelin Sinas, die Gräfin Iphigenie de Castres-d’Harcourt, u. a. einen "Hammam", ein türkisches Dampfbad im "orientalischen" Stil errichten, das bis heute zu den touristischen Attraktionen von Trencsénteplicz gehört. In der Folge entwickelte sich der Ort zu einem Treffpunkt insbesondere des "Geldadels" der wohlhabenden Industriellen und Bankiers. Nach der Übernahme der Bäder durch die Ungarische Heilbäder-Aktiengesellschaft, die den Ort weiter ausbaute und um 1910 auch begann, einen Wintertourismus zu etablieren, gab es einen neuerlichen Wachstumsschub. Vor dem Ersten Weltkrieg besuchten jährlich etwa 5.000 Gäste aus der Monarchie, aber auch aus dem Ausland das Bad. Aus dieser Phase stammt auch das gezeigte Objekt des Monats.
Die damaligen physikalisch-chemischen Heilwasser-Analysen umfassen auch heute noch übliche Parameter, wie u. a. Quelltemperatur und spezifisches Gewicht des Wassers, die Mengen der enthaltenen Kationen Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium und Aluminium (als Oxide), die Anionen Chlorid und Sulfat sowie Kieselsäure und das gelöste Gas Kohlendioxid (Kohlensäure). Der relativ hohe Anteil an Schwefelwasserstoff bedingt die balneologische Einordnung als Schwefeltherme.
Auffällig - und aus heutiger toxikologischer Sicht eher skurril - ist die Werbung mit dem "Radiumreichtum" der Quellen, die durch den ausdrücklichen Hinweis (S. 12f) auf ein Gutachten des "neuen Institutes für Radiumforschung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften" in Wien noch unterstützt wird. In diesem Gutachten vom 15. 12. 1910 wurde "sämtlichen Wasserproben ein nachweisbar großer Gehalt an Radium und bedeutende Radiumemanationen (= das radioaktive Edelgas Radon, Anm.)" bescheinigt. Dies ist insofern bemerkenswert, als das erwähnte Institut für Radiumforschung am 28. 10. 1910 gerade erst, und als erstes der Welt zur Erforschung der Radioaktivität (!), durch Erzherzog Rainer (1827–1913) eröffnet worden war, es sich hier also um eine der ersten durchgeführten Auftrags-Heilwasseranalysen auf Radium und Radon handeln dürfte.
Der ausführende Künstler des farbigen Umschlages sowie der Schwarz-Weiß-Miniatur auf der Vorsatzseite unserer Broschüre konnte u. a. durch Vergleich seiner Signatur als der ungarische Maler, Grafiker und Illustrator Árpád Bardócz (1882–1938) identifiziert werden. Von ihm ist unterschiedliche Gebrauchsgrafik, v. a. Plakate, in späteren Jahren auch solche politischen Inhalts, erhalten.
Unser Original-Exemplar enthält zwei interessante Beilagen (Bestellkarte für ein Zimmer; Nebensaison-Angebot 'Beamtenpension'), die das Zeitkolorit lebendig werden lassen:
Broschüre mit Beilagen (pdf, 7,8 MB)
Diese Broschüre steht auch als eBook zur Verfügung.
JURENITSCH, Johann u. a.: 200 Jahre Pharmakognosie in Wien: Eine Wissenschaft im Dienst der Arzneimittelsicherheit, Wien: Facultas 1998, S. 22-23. Exemplar im Bestand der UB Wien
KÓSA, László: Badeleben und Kurorte in Österreich-Ungarn. Holnap-Verlag, Budapest 1999. Exemplar im Bestand der UB Wien
SCHNEIDER, Kurt: Bibliothek der Institute für Pharmakognosie und Pharmazeutische Technologie an der Universität Wien, in: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa. Hrsg. von Bernhard Fabian. Digitalisiert von Günter Kükenshöner. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003. Elektronisch verfügbarer Text
Text und Fotos: Dr. Kurt Schneider