Gedenktafel für Oskar Baumann

Gedenktafel für Oskar Baumann

Gedenktafel für Oskar Baumann (1864–1899) von Theodor Charlemont (1859–1938), Wien 1900
Jura-Rotkalk mit Inschrift und Bronzerelief
Maße: 126 x 67 cm
Inventarnummer: ohne
Aus dem Geologischen Archiv der Universität Wien


In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verschwanden die letzten weißen Flecken von den Landkarten. Wagemutige Abenteurer und Forschungsreisende waren allen Schwierigkeiten und Gefahren zum Trotz in Regionen vorgestoßen, die zuvor noch kein Europäer betreten hatte. In der öffentlichen Meinung wurden diese Personen als Helden wahrgenommen und entsprechend gefeiert, denn sie eigneten sich als ideale Projektionsflächen für eine sich nach Abenteuern sehnende und zunehmend zivilisatorisch domestizierte Gesellschaft. Die zahlreichen Opfer, die diese Unternehmungen forderten, wurden pauschal zu "Blutzeugen der Wissenschaft" hochstilisiert - einerlei welche Motive sie zu diesen riskanten Unternehmungen verleitet hatten. Ausgeblendet blieb auch die Frage nach den eigentlichen - nämlich ökonomischen und politischen - Zielen dieser gefährlichen Expeditionen, deren wissenschaftliche Erträge oft nur ein nützliches Nebenprodukt waren.

In dieser Sicht der Dinge unterschied sich der Paläontologe, Geologe und Professor für Geologie an der Universität Wien Eduard Suess  (1831–1914) nicht wesentlich von seinen Zeitgenossen. Als 1877 einer seiner herausragendsten Schüler, der Geologe Ferdinand Stoliczka  (1838–1874), auf einer Himalaya-Expedition ums Leben kam, ließ Suess zu seinem Gedächtnis eine repräsentative Marmorbüste anfertigen und diese in seinem Institut aufstellen. Möglicherweise trug sich Suess bereits damals mit dem Gedanken, auch künftig für diejenigen seiner Schüler, die gleichfalls "im Dienste der Wissenschaft" ihr Leben einbüßen würden, ein ähnlich würdiges Zeichen der Erinnerung setzen zu wollen. Bis zu Suess' Emeritierung im Jahre 1901 wurden im Geologischen Institut der Universität Wien insgesamt fünf solcher Ehrentafeln aufgestellt, von denen allerdings eine im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Bei den jeweiligen Feiern anlässlich der Enthüllung dieser Tafeln hielt Suess stets eine Rede, deren heroisierender Grundtenor uns heute befremdet. Die Wiederaufstellung dieser Gedenktafeln im öffentlichen Raum des Geozentrums (UZA II) der Universität Wien erfolgte nicht nur aus denkmalpflegerischen Motiven. Ihre Präsenz soll vor allem zum Nachdenken anregen.

Eine dieser vier Gedenktafeln ist dem Geografen Oskar Baumann  gewidmet und stammt von dem österreichischen Bildhauer Theodor Charlemont  (1859–1938). Charlemont war Schüler von Edmund Hellmer  (1850–1935) und Caspar von Zumbusch  (1830–1915) und fertigte zahlreiche Büsten, Medaillons und Skulpturen bedeutender Persönlichkeiten seiner Zeit an. Zwei der Büsten im Arkadenhof der Universität Wien stammen von ihm: das Denkmal für Carl Braun Fernwald (1823–1891)  aus dem Jahr 1894 und jenes für Karl Ludwig Arndts von Arnesberg (1803–1878)  aus dem Jahr 1899. Die Gedenktafel für Oskar Baumann wurde vermutlich noch 1899 in Auftrag gegeben, im darauf folgenden Jahr ausgeführt und am 19.07.1900 feierlich enthüllt. Der Gedenkstein ist aus Jura-Rotkalk, auf dem ein Bronzerelief angebracht ist. Die Darstellung Oskar Baumanns auf dem Relief nimmt Bezug auf dessen Durchquerung des Massai-Landes. Über einem Schriftzug, dessen Übersetzung "Großer König – Beherrscher Urundi's" lautet, folgen - als Teil eines Festzuges - vier Massai, darüber die große Portraitbüste des Forschers.

Abenteuerlust und die Gabe zu scharfer Beobachtung, in Verbindung mit der eisernen Disziplin, das Wahrgenommene sofort schriftlich festzuhalten, waren die Grundlagen für das unglaublich reiche Lebenswerk, das der bei seinem Tod erst 35jährige Afrikaforscher Oskar Baumann der Nachwelt hinterließ. Bereits als Schüler zeichnete er sich durch zahlreiche Erstbegehungen in den Alpen aus. Er bereiste unbegleitet das damals noch nicht erschlossene gebirgige Hinterland Montenegros und veröffentlichte kurz danach seine Beobachtungen in einem angesehenen Fachjournal. Im Rahmen des vorgeschriebenen einjährigen Militärdienstes (1883–1884) erlernte er am k.k. Militärgeographischen Institut  die Grundzüge der topografischen Aufnahmetechnik und der astronomischen Ortsbestimmung. Diese Kenntnisse befähigten ihn später, seine Expeditionsberichte mit genauen Karten zu versehen, welche vielfach kartografische Erstaufnahmen der von ihm bereisten Gebiete darstellten.

Noch während seines Studiums an der Universität Wien wurde er eingeladen, als Topograf die Österreichische Kongo-Expedition (1885–1887) zu begleiten. Obwohl er diese Reise krankheitshalber vorzeitig abbrechen mußte, war sie doch bestimmend für seinen weiteren Lebensweg. In den Folgejahren war er in Ostafrika tätig, wo er vor allem das Gebiet der Usambara-Berge  in Tansania erforschte. Seine überaus detaillierten Kartenaufnahmen von Gebieten, die vor ihm noch kein Europäer betreten hatte, galten lange Zeit als unübertroffen und bildeten die praktische Grundlage für die Planung der verkehrsmäßigen Erschließung des Landesinneren der jungen Kolonie Deutsch-Ostafrika durch die sog. Usambarabahn .

Der jeweilige Routenverlauf der von ihm geleiteten Expeditionen war von ökonomischen und politischen Zielsetzungen bestimmt. Trotz dieser Beschränkung konnte er es nicht unterlassen, sich abseits der vorgegebenen Expeditionsroute auf die Suche nach der bis dahin unbekannten Hauptquelle des Nils zu begeben. Bei der Verfolgung seiner wissenschaftlichen Ziele schonte er weder sich noch Gesundheit und Leben seiner Begleitmannschaft. Im Alter von lediglich 35 Jahren erlag er 1899 einer Tropenkrankheit. Ein großer Teil seiner bemerkenswerten ethnografischen und naturkundlichen Sammlung gelangte durch Schenkung an einige Wiener Museen. Seit 1902 ist nach ihm auch eine Straße im dritten Wiener Gemeindebezirk  benannt.

Text: ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. Richard Lein; Foto: Claudia Feigl