Geologische Übersichtskarte der Ostalpen, des Vorlandes, der österreichischen Anteile der Böhmischen Masse und der Dinariden
Tuschezeichnung von Leopold Kober, 1937
Maßstab: 1:1,000.000
Inventarnummer: GA 1/2019
Aus dem Geologischen Archiv
Leopold Kober (*1883 in Pfaffstätten; † 1970 in Hallstatt) war ein österreichischer Geologe und von 1923 bis 1954 Universitätsprofessor an der Universität Wien. Kober war ein führender Forscher seiner Zeit und erklärte als "Nappist" den tektonischen Aufbau der Alpen stark beeinflusst von der damals nicht generell anerkannten Deckenlehre. Er führte die Entstehung der Ostalpen, entsprechend der damals weit verbreiteten Lehrmeinung, auf die Kontraktion der Erde zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er das Geologische Institut an der Universität Wien wieder auf und emeritierte 1954. Er verfasste 15 Lehrbücher und über 100 geowissenschaftliche Fachartikel mit denen er die weitere Erforschung der Alpengeologie nachhaltig beeinflusste. Im Nachlass Leopold Kobers im Geologischen Archiv am Department für Geodynamik und Sedimentologie (Universität Wien, Inventarnummer: GA 1/2019) existiert von Kober eine geologische Übersichtskarte (Maßstab 1:1,000.000) der Ostalpen, des Vorlandes, der österreichischen Anteile der Böhmischen Masse und der Dinariden, welche in vereinfachter Form in seinem Werk "Der Geologische Aufbau Österreichs" aus dem Jahre 1938 publiziert wurde. Kober bezeichnet die Karte als Tektonogramm, ein Begriff den er für eine Kombination von geologischen Karten (Grundriss) mit vertikalen Profilen (Aufriss) geprägt hat.
Im Norden der Karte ist die Böhmische Masse in der noch heute geltenden Untergliederung in Moldanubikum und Moravikum dargestellt. Die Granitintrusionen sind in der Manuskriptkarte schwarz eingefärbt und bekommen dadurch eine zu große Dominanz, welche in der publizierten Version durch eine Vertikalschraffur deutlich zurückgenommen wurde. Während die Neogenen Becken ohne Schraffur dargestellt sind, zeigt der Rest der geologischen Karte die Ostalpen und die Dinariden. In seinem Werk "Der Geologische Aufbau Österreichs" inkludiert Kober in den Begriff der Dinariden allerdings auch die Südalpen. Besonders interessant ist, dass in der vorliegenden Karte die Grenze zwischen den Ostalpen und den Dinariden mit einem weißen Marker als scharfes Lineament hervorgehoben ist, was nach dem heutigen Wissensstand einer wichtigen tektonischen Grenze besser entspricht (Periadriatisches Lineament), als die Abgrenzung mit einer Quarzphyllit/Altkristallin-Zone in der publizierten Karte.
Die Alpen werden in drei Großeinheiten untergliedert, nämlich in die Flyschzone, welche die Helvetiden inkludiert, in die penninische Zone und in die ostalpine Deckenmasse (Austriden oder Zentraliden). Als glühender Anhänger des Nappismus (Deckenlehre) und der damals nicht von allen zeitgenössischen Geologen anerkannten Entdeckung, dass das Penninikum in den Tauern ein tektonisches Fenster ist, kommt den Vorkommen der penninischen Zone bei Kober eine besondere Bedeutung zu, und die Grenze zu den hangenden Einheiten ist in der Karte an der West-Ostalpengrenze, im Engadiner Fenster und im Tauernfenster mit einer durchgezogenen weißen Markerlinie deutlich hervorgehoben. Das Rechnitzer Fenster, welches das östlichste penninische Vorkommen in den Ostalpen ist, war zu dieser Zeit noch nicht bekannt und ist in der vorliegenden Karte als Altkristallin jedoch in der publizierten Version als Paläozoikum ausgeschieden.
Während in der wesentlich detaillierteren Karte aus dem Geologischen Archiv die tektonischen Einheiten in den Dinariden mit vielen anderen Schraffuren dargestellt sind, hat Kober in der vereinfachten publizierten Version der Karte für Altkristallin, Quarzphyllit, Paläozoikum und Mesozoikum ähnliche Schraffuren verwendet wie in den korrespondierenden Einheiten in den Ostalpen, um die Symmetrie des Alpenbaus zu betonen. Nur das Mesozoikum ist schon in der ursprünglichen Version konsequent in den Ostalpen und den Dinariden mit senkrechten Strichsignaturen ausgeschieden. Die Schraffuren der verschiedenen tektonischen Einheiten in seinem Tektonogramm dürften für Kober ein sehr wichtiges Mittel gewesen zu sein, um seine durch die Deckenlehre geprägten Vorstellungen zu transportieren, und viele der gewählten Schraffuren finden sich auch in späteren Kartendarstellungen der Ostalpen, wie zum Beispiel bei Alexander Tollmann in der "Geologie von Österreich" (Tollmann, 1977).
Eine ausführliche Biografie von Leopold Kober, verfasst von MMag.a DDr.in Margaret Hamilton, finden Sie hier (pdf, 230 KB)
Anm. der Redaktion:
Dieses Objekt wurde neben einer weiteren großformatigen geologischen Zeichnung von Walter Medwenitsch vor Kurzem mit von der DLE Bibliotheks- und Archivwesen zur Verfügung gestellten Mitteln zur Bestandserhaltung und Restaurierung von Sammlungsbeständen der Universität Wien professionell restauriert und gerahmt.
Das Hauptbild zeigt den Zustand vor der Restaurierung.
Geologisches Archiv Department für Geodynamik und Sedimentologie. Nachlass Leopold Kober, Box 1: Manuskript zu Tektonogramm Blatt 1–20.
KOBER, Leopold: Der Geologische Aufbau Österreichs. Wien, Julius Springer, 1938. Exemplare im Bestand der UB Wien
LEIN, Richard: "Leopold Kober und die Metaphysik." In: "Geologie und Glaube"; Herausgeber: Bernhard Hubmann, Daniela Angetter & Johannes Seidl, Wien, 2016, S. 84-87. = Berichte der Geologischen Bundesanstalt, 118. Exemplare im Bestand der UB Wien; dieser Artikel.
MEDWENITSCH, Walter: "Leopold Kober." In: Mitteilungen der Geologischen Gesellschaft in Wien 63, 1972, S. 207-216. Zeitschrift im Bestand der UB Wien
SEIBOLD, Ilse; SEIBOLD, Eugen: "Wiener Geologen im Spiegel des Geologenarchivs Kober - Kieslinger - Ampferer." In: International Journal of Earth Sciences 90 (1), 2001, S. 211-216. Dieser Artikel im Bestand der UB Wien; als elektronischer Text: pdf.
TOLLMANN, Alexander: "Leopold Kober zum 100. Geburtstag. Leopold Kober on his 100th birthday." In: Mitteilungen der Österreichischen Geologischen Gesellschaft, 76, 1983, S. 19-25. Zeitschrift im Bestand der UB Wien; dieser Artikel.
TOLLMANN, Alexander: Geologie von Österreich – Band 1. Wien, Deuticke, 1977. Exemplare im Bestand der UB Wien
Text: Univ.-Prof. Mag. Dr. Bernhard Grasemann; Fotos: MMag. DDr. Margret Hamilton, Restaurierung: Michael Fackelmann