Bodenprofil von Eggenburg

Bodenprofil von Eggenburg

Bodenprofil von Eggenburg und Umgebung, 1860-63
Handkolorierte Tuschezeichnung in 18 Einzelblättern von Eduard Suess (1831–1914)
Tusche, Aquarellfarben, Bleistift
Größe: 433,5 x 39,2 cm
Aus dem Geologischen Archiv


Im Nachlass von Eduard Suess (1831–1914), dem ersten Ordinarius für Geologie an der Universität Wien, ist dieses bedeutende Dokument erhalten. Das von Eduard Suess eigenhändig gezeichnete und mit Aquarellfarben kolorierte Profil EggenburgHorn in einer Gesamtlänge von 433,5 cm setzt sich aus 18 Einzelblättern zusammen, die mit Leinenstreifen miteinander verbunden sind, sodass diese auch bei den Feldbegehungen im Raum Eggenburg, die Suess mit seinen Studenten und Kollegen machte, guten Bestand hatten. In den sedimentären Lagen sind die Namen der einzelnen Fossilien, die sich im sogenannten „Eggenburger Meer“ ablagerten, angeführt. Sie geben Zeugnis über die von Eduard Suess entwickelte Theorie der Meeresspiegelschwankungen, die er in seinem 1916 posthum erschienen Buch „Erinnerungen“ darlegte. Die Entstehung der vorliegenden Karte kann etwa auf die Jahre zwischen 1859 und 1862 datiert werden. Die freien Wochen der Sommer 1860 und 1861 waren dem Studium der einstigen Ufer des erweiterten Mittelmeeres am sonnigen Weingelände gewidmet, das den Rand des böhmisch-mährischen Gebirges von Retz bis an die Donau begleitet.

In den "Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften" veröffentlichte Suess im Jahr 1866 eine Skizze des Profils vom Westabhang des Vitus-Berges über Eggenburg Richtung Westen bis zu einer markanten Stelle – dem Galgenberg bei Horn (Blätter 16 und 17). Hier erwähnt Suess, dass er in den Jahren 1859–1862 die Horner Schichten mit dem Barometer ermittelte und in Wien von dem Paläontologen und Landvermesser Ferdinand Stoliczka (1838–1874) berechnen ließ. Der Geologe und langjährige Vorstand des Instituts für Geologie der Universität Wien Alexander Tollmann (1928–2007) legte die ersten 6 Blätter des Eggenburger Profils in schwarz-weißer Kopie an, die sich ebenfalls im Nachlass von Eduard Suess im Geologischen Archiv befinden. Auf dem ersten Blatt der Kopie fügte Tollmann eine kleine Notiz hinzu: "E. Sueß. Kopie eines 4 Meter langen Profils durch Eggenburg als Exkursionshilfe." Auf dem ersten Blatt (= Rückseite des kolorierten Profils) des Originals ist in Überschrift mit schwarzer Tinte angeführt: „Eggenburg-Horn“ und einem zusätzlichen Vermerk: "Profil gezeichnet und beschriftet von Eduard Sueß. Bleistift-Beschriftung von Leopold Kober. Alexander Tollmann. / Ausgeführt in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts."

Auf dem 3. Profilblatt sind auf einem separaten Teil unterhalb der grafischen Darstellung der Ansicht von Eggenburg die Farben der einzelnen Gesteinslagen des Profils beschrieben:
Sand – gelb-orange; Tegel – blau; Granit (Urgebirge) – rot; Kalk – grün Blatt 15 weist eine Notiz mit brauner Farbe in einer kleinen Sequenz von Lehm auf. Die Farbe Violett steht für Glimmerschiefer und wird erstmalig auf dem Blatt 6 eingezeichnet; sie ist die dominante Farbgebung der Blätter 7–12. Im Folgenden seien die einzelnen Blätter des Profils kurz beschrieben, wobei die Gesteinssequenz der Blätter 8–11 nicht näher besprochen wird, da hier nur eine Linienführung mit violetter Farbe für den Glimmerschiefer ohne auffällige Gesteinsänderung und Beobachtung im Gelände angezeigt ist. Suess selbst erwähnt in seiner ersten Besprechung in den "Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften", dass von Horn Richtung Osten keine nennenswerten Beobachtungen zu sehen sind: "Gegen Osten an jenseitige Abhänge, wo auf einer Strecke von mehreren Stunden, ähnliche Tertiärschichten vorkommen."

In dieser Darstellung geht Suess von Horn (Blatt 18) aus und wendet sich Richtung Galgenberg und weiter nach Maria Drei Eichen, der Wallfahrtskirche Maria Dreieichen. Er gibt alle Fossilien an, die er selbst gefunden hat, sowie die Beschreibung des Weges und auch die Lokationen mit Angabe der Fossilienfunde. Auf dem ersten Blatt des Profils östlich von Eggenburg ist der Vitus-Berg „Vitus Berg Ost“ abgebildet, die rot kolorierte Farbe ist signifikant für das granitische Gestein. Vom Vitus Berg abwärts Richtung Westen (Blatt 2) sind die horizontal parallel gelagerten Schichtfolgen bis zum „Keller v. Gerichtslehner“ in den entsprechenden handkolorierten Farben eingetragen: blau-ockergelb, grün und orange. An der Basis des Vitus-Berges beim „Gerichtslehner“ liegt in Blau gefärbt der „Mergel mit Lucina“, darüber beschreibt Suess vom Liegenden zum Hangenden mehrere Schichten mit signifikanten Fossilien, darunter "Ostrea digitalina", "Pectunculus", "Mylitus", "Tellina zonaria".

Auf dem 3. und 4. Blatt hat Eduard Suess die markanten Gebäude und Strukturen der Stadt Eggenburg und der mittelalterlichen Stadtmauer festgehalten. Zwischen dem Fuß des Vitus-Berges und der Stadt liegt der Zwingergraben. Unter dem ersten Teil der Stadt (Blatt 3) ist eine Detailzeichnung der Gesteinsabfolge im Kellerbereich des „Plank“-Hauses angeführt:
Unter dem Hause d. H. Plank [heute Kremserstraße, sogenanntes „Schally-Haus“] neben dem Gasthofe zur gold. Sonne [heute Stadthotel Oppitz]". In den "Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften" erwähnt Suess den Keller unterhalb des Gasthofes zur Sonne in 15 Fuß unter dem Straßenpflaster liegend mit den Fossilien Mytilus Haidingeri, Ostrea lamellosa und Mytilus-Trümmern. Im Vergleich zur Aufzählung der Fossilien im Profil können wir einige Korrekturen und Ergänzungen nachvollziehen.

Das 5. Blatt weist einen granitischen Untergrund auf mit einer „Verwerfung“. Über dem Granit sind in kleinen Sequenzen Sedimente und Tegel in den Farben gelb-orange für „Sandstein“ und blau für „Tgl. mit Ostrea longirostris“ und eine kleine Sequenz Lehm in brauner Farbe eingetragen. Hier notiert Suess die im Sedimentgestein vom Liegenden zum Hangenden enthaltenen Fossilien, die bezeichnend sind für die heute gebräuchlichen stratigraphischen Einheiten der "Kühnring-Subformation" bzw. "Burg-Schleinitz-Formation". Den Abschluss dieser Sequenzreihe bildet ein auf 1116′ Höhe stehendes Kreuz, dieses existiert heute nicht mehr. Das 6. Blatt, westlich von Eggenburg, ist in der einheitlichen Farbe Violett für Glimmerschiefer dargestellt mit einem markanten Landschaftspunkt „Roten Marter“ (ehemals „Mautkreuz“) auf 1224‘ Höhe und eine Notiz der im Gestein, Tegel in der Farbe Blau, enthaltenen Fossilien.

Die Fortsetzung des Geländeprofils erfolgt in Richtung Westen mit violetter Aquarellfarbe in schräger Linienführung, kennzeichnend für Glimmerschiefer, bis zur Ansiedelung Maria Dreieichen. Es ist eine Gesteinssequenz ohne genauere Besprechung oder Hinweise auf ein anderes geologisches Ereignis. Nach dem Ort „Drei Eichen“ (Maria Dreieichen) zeichnet Suess ein kleines Tal und eine kurze Sequenz einer Tegel-Sand Sequenz auf Tegel-Untergrund. Dieser verläuft eine Strecke nach Westen und taucht unter eine Schichte von Lehm mit brauner Farbe. Daran schließt wieder in roter Aquarellfarbe das granitische Gestein, das sich Richtung Horn zum Galgenberg auftürmt und bei der Stadt Horn als Grundgebirge auftritt.

Eduard Suess hat dieses handkolorierte Profil nicht datiert, aber in seinen „Erinnerungen“ gibt er den Zeitraum zwischen 1860 und 1861 an, in dem er zu intensiven Forschungen nach Eggenburg gefahren ist. Er resümiert über die Naturbeobachtungen um Eggenburg, die ihn einige Jahre später zur Schlussfolge und einer neuen These führten:
"[...], dass die beobachteten Höhenverhältnisse und die unterschiedlichen Meeresablagerungen in diesem Raum nicht durch die Hebung eines Landes, sondern nur durch Senkung eines Wasserspiegels möglich wären. Zuerst mußten diese Tatsachen, wie die Höhenverhältnisse, die fossilen Konchylien u. a. so genau wie möglich verfolgt werden, aber erst fünfzehn Jahre später durfte ich es wagen, diese Ansicht öffentlich auszusprechen. Heute nennt man sie die Lehre von den eustatischen Strandbewegungen. Im Gelände von Eggenburg ist sie geboren."
Im Archiv der Geschichte der Geologie befindet sich ein Dokument über eine Exkursion nach Eggenburg, die vom 3.–6. April 1863 stattgefunden hat. Eduard Suess selbst legte ein Blatt mit dem Datum der Exkursion und den Unterschriften der Teilnehmer an: 21 Studenten und Interessierte nahmen an dieser eindrucksvollen Exkursion teil.

In einer kurzen Notiz innerhalb des Werkes „Geologische Uebersichtskarte der österreichischen Monarchie“ des Geologen und Paläontologen Franz Ritter von Hauer (1822–1899) aus dem Jahr 1869 ist bereits eine zusammenfassende Darstellung der Eggenburger Schichten wiedergegeben:

"Die von unten gezählte vierte und oberste der Stufen, in welche Suess die neogenen Tertiärgebilde des ausseralpinen Wiener Beckens am Fusse des Mannhart gliedert. Sie zerfällt in zwei Glieder, dessen unteres aus festem Sandstein (Molasse-Sandstein) mit Panopaca Menardi, Pholodomya, Solen u.s.w., und deren oberes vorwaltend aus Kalkstein, zum Theile Nulliporenkalk mit Pecten aduncus, Echinodermen, Terebratula Hörnesi u.s.w. besteht. Nach Suess ist dieser Nulliporenkalk nicht als ein Aequivalent des Leithakalkes zu betrachten, sondern über ihn erst würden der Schlier und über diesen die Vertreter der Marinschichten des Alpinen Beckens folgen, deren höchste Stufe der Leithakalk bildet."

Veranstaltungshinweis:

Das Geologische Archiv beteiligt sich am Internationalen Tag der Archive und öffnet seine Türen und Schubladen für Interessierte:
Datum: Donnerstag, der 09. Juni 2022
Zeit: 10:00–13:00 Uhr
Ort: Universitätszentrum Althanstraße II (Geozentrum), Althanstraße 14, 1090 Wien
Raum: 2A 342
Einladung (pdf)

Literatur:

HAUER, Franz Ritter von: Eggenburg, Schichten von. In: Geologische Uebersichtskarte der österreichischen Monarchie (Wien 1869).
HAMILTON, Margret: Eduard Suess (1831–1914): Geological Cross-Section from Eggenburg to Horn. In: Proceedings. 15th International ERBE-Symposium. Cultural Heritage on Geosciences, Mining and Metallurgy-Libraries-Archives-Collections (Wien 2021), S. 75–82.
STEINIGER, Fritz F. / ROETZEL, Reinhard / ŞENGÖR, A.M. Celâl: „Der Meeresspiegel steigt“. Das Konzept der Meeresspiegelschwankungen von Eduard Suess basierend auf den Ablagerungen des Eggenburger Meeres. Wien 2015 (= Berichte der Geologischen Bundesanstalt 110). Exemplar im Bestand der UB Wien
SUESS, Eduard: Erinnerungen. Wien 1916. Exemplar im Bestand der UB Wien
SUESS, Eduard: Ueber die Gliederung der tertiären Bildungen zwischen Manhart, der Donau und dem äusseren Saume des Hochgebirges. In: Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Classe 54 (Wien 1866), S. 87–149. Online verfügbar

Bodenprofil von Eggenburg

Text und Fotos: MMag.a DDr.in Margret Hamilton