Manuskript über einen Mammutfund 1886

Manuskript über einen Mammutfund 1886

Manuskript in Kuvert von Unbekannt, (nach) 1886
Papier, Tinte, Bleistift
3 Seiten
Maße: 16,5 x 21,0 cm
Aus der Paläontologischen Sammlung


Das von unbekannter Hand verfasste Schreiben wurde am Institut für Paläontologie der Universität Wien unlängst im verschlossenen Teil eines Schaukastens aufgefunden. Es lag einer Schachtel mit zwei Mammutbackenzähnen und einem Röhrenknochen bei. Der Unterteil des Kastens wurde genutzt, um eine im Jahr 2020 vom Oberstufenrealgymnasium Hegelgasse, 1010 Wien als Geschenk an das Institut übergebenen Fossilsammlung aufzubewahren. Diese Kollektion, die zum Teil Stücke enthält, die vor knapp anderthalb Jahrhunderten aufgesammelt wurden, diente als Anschauungsmaterial für Lehrzwecke. Über unbekannte Wege dürfte sie von der Wiener Lehrerbildungsanstalt an die genannte Schule gelangt sein.

Das gezeigte Manuskript schildert, wie fossile Überreste eines Wollhaarmammuts bei einer Brunnengrabung im Jahr 1886 im Keller eines Hauses in der Weihburggasse, 1010 Wien entdeckt und geborgen wurden. Funde dieser Art - in der Innenstadt Wiens - sind mehrfach durch Fundstücke und Literaturhinweise bekannt. So gehört beispielsweise der Mammut-Oberschenkelknochen aus der Sammlung des Institutes für Geologie mit der Inschrift „AEIOU“ dazu. Er wurde vermutlich 1443 bei Bauarbeiten des Stephansdomes aufgefunden und für die Knochen eines Riesen gehalten. Lange Zeit war er am Riesentor angebracht und erhielt so den Namen "Riesenknochen von St. Stephan".

Über einen Fund in der Weihburggasse berichtet der österreichische Geologe Andreas Xaverius Stütz (1747–1806) im Jahr 1807: „Zu den Zeiten Maria Theresiens wurde bey Erbauung des Lilienfelderhofes in der Weihburggasse ein ganzes Gerippe des Einhornfisches, Cete Monodon oder Diodon ausgegraben, von dessen Zähnen, dem Horn des fabelhaften Einhorns der Alten, ich Bruchstücke in Händen gehabt habe." Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich damals tatsächlicherweise um Mammutreste gehandelt haben muss, wie der bedeutende österreichische Geologe Eduard Suess (1831–1914) bereits 1862 richtigstellte: „Stütz, mineral. Taschenb. S 42; die Verwechslung der Elephantenreste mit dem Einhorn oder mit dem Einhornfische war vorigen Jahrhunderte eine sehr allgemeine und wurde durch die großen Stoßzähne veranlasst. Hat ja doch selbst der grosse Leibnitz in seiner „Protogäa“ eine abenteuerliche Figur des Gerippes eines solchen Einhorns geliefert, dem der Stoßzahn als Horn mitten auf die Stirne gestellt ist“.

Während einzelne Knochen, Backen- oder Stoßzähne, schon rar sind, stellen zusammenhängende Teile eines Mammutskeletts eine extreme Seltenheit dar. Insbesondere eine - wie in dem Schreiben erwähnten - Erhaltung als sogenannte "Wachsleiche", ist hierzulande nicht bekannt und würde eine außergewöhnliche Besonderheit darstellen. Adipocire, auch Leichenwachs genannt, entsteht typischerweise bei niedrigen Temperaturen in nasser Umgebung (bspw. bei Wasserleichen). Der Verwesungsprozess wird dadurch aufgehalten, da der für die bakterielle Zersetzung notwendige Luftsauerstoff fehlt. Tatsächlich sind die Fundstücke mit einer weißen, kalkartigen Substanz überzogen, die dem Erscheinungsbild von Adipocire entsprechen. Dass der Rest des Tieres im Brunnen aus statischen Gründen zurückgelassen wurde, ist möglich. Auch war es gängige Praxis, nur die Zähne „herauszuschlagen“ wie bspw. A. Stütz 1807, über einen 1805 im Weinviertel aufgefundenen Schädel eines Großsäugers, verärgert schreibt: „Der Destructionsgeist der Straßenarbeiter, die aus Bauern und Soldaten bestanden, und die Begierde, für die im Kiefer steckenden Zähne einige Groschen zu erschnappen, hat die dummen Leute bewogen, das ganze Skelet zu zerschlagen, für das sie zwanzigmahl so viel, als für alle herausgeschlagenen Zähne erhalten hätten.“ Können wir dem Verfasser Glauben schenken, so verfügen wir durch dieses Schreiben über detaillierte Angaben, wo genau sich die verbleibenden Reste eines Mammuts in der Wiener Innsnstadt befinden. Vielleicht wird man sich bei künftigen Bauarbeiten daran erinnern und kann das Fossil bergen.

Vollständige Transkription des Manuskripts:

„Herr Johann Ernst Bauleiter des Central Bades I wohnhaft I Weihburggasse 18 a 20 spendet über Veranlassung des Med Dr Nauhs dem Museum der Knabenübungsschule des Pädagogiums einen Mamuth Zahn (Elephas primigenius-) und ein Stück Oberschenkelknochen (desselben Thieres). Die Stücke entnahm Herr Ernst 1886 gelegentlich als große Erdaushebungen in einer Tiefe von 23 Meter einem völlig verfetteten Mammuthkörper. Da das Thier zum ¾ Theile unter der Feuermauer des Offenheimschen Hauses I Weihburggasse 22 gelagert war und beim Versuche das Thier zu heben das Steingerölle, in dem der Körper eingelagert war, nachstürzte und in Folge dessen die Kellermauer oberhalb des Fundortes mächtige Sprünge zeigte, mußte von einem Versuche den ganzen Körper zu heben abgegangen werden und Herr Ernst entnahm nur den Mahlzahn und 1 Stück Röhrenknochen.
Die ganze Masse des Thieres, welche mit Ausnahme der Knochen und Zähne zu Adiposir (Fett der Leichen) wurde, liegt noch unter der Kellerfeuermauer.“

Beschriftung der Skizze auf Seite 3 (siehe unten):
„Mauer des Offenheimschen Hauses in einer Tiefe von 23 Meter“. „Offenheimhaus 22“. „Trottoir“. „Keller…“ (Anm.: schlecht lesbar. Ist Kellerstiege gemeint?). „Gerölle nach dem Keller“. „Mamuth (Anm.: Mammut)“. „Tegel“. „I Weihburggasse 20“ . „Centralbad“. „Brunnenstube“. „23 Meter Tiefe“

Literatur:

STÜTZ, Andreas: Mineralogisches Taschenbuch. Enthaltend eine Oryctographie von Unterösterreich zum Gebrauch reisender Mineralogen. Hrsg. von J. G. Megerle von Mühlfeld. Wien und Triest: Geistinger's Buchhandlung 1807. Online verfügbar über das Münchner Digitalisierungszentrum

SUESS, Eduard: Der Boden der Stadt Wien nach seiner Bildungsweise, Beschaffenheit und seinen Beziehungen zum bürgerlichen Leben. Eine geologische Studie. Wien: Braumüller 1862. Online verfügbar über die Österreichische Nationalbibliothek

Manuskript über einen Mammutfund 1886

Text & Foto: Mag. Martin Maslo