Fundstücke von Ausgrabungen in Hisarlık Tepe

Fundstücke von Ausgrabungen in Hisarlık Tepe

Zwei Fundstücke von Ausgrabungen unter der Leitung von Heinrich Schliemann (1822–1890)
Hisarlık Tepe, "Troja" (Türkei), aufgefunden 1873
Nr. 110 (Tonwirtel) und Nr. 109 (Hammerbruchstück) des Erwerbsprotokolls
Aus der Geologischen Sammlung


„Geologische Sammlung der Wiener Hochschule. 1873. VI. 109 Hammerbruchstück. Fundort: Schliemanns Ausgrabungen bei Hissarlik [sic!]“ (Fundzettel)

„1873 VI Geschenk von Herrn R. Hörnes …
107 Sarmatischer Mactra=Kalk; Schliemann’s Ausgrabungen bei Hissarlik
Schliemanns Ausgr. b. Hissarlik
108 Basaltmandelstein; Schliemanns Ausgr. b. Hissarlik
109 Hammerbruchstück; Schliemanns Ausgr. b. Hissarlik
110 Tonwirtel; Schliemanns Ausgr. b. Hissarlik
111 Conchylien verschiedener Art; Schliemanns Ausgr. b. Hissarlik
[...]
118 Mühlstein aus Troja“

(Aus dem Erwerbsprotokoll Institut für Geologie)

Der Deutsche Johann Ludwig Heinrich Julius Schliemann (1822–1890) war ein Pionier der Feldarchäologie und ist wohl einer der bekanntesten Archäologen überhaupt. Im Jahr 1870 begann er mit Ausgrabungen in Hisarlik in der Türkei, um nach Resten der sagenumwobenen, antiken Stadt Troja zu suchen. Im Zuge seiner Suche nach dem Palast von Priamos, des letzten Königs von Troja, stützte er sich auf die Angaben des antiken Philosophen und Schriftstellers Homer, „der uns mit der Zuverlässigkeit eines Augenzeugen ein Bild von der trojanischen Ebene entworfen hat“. Schliemann stieß 1873 nach vorherrschender Meinung auf bronzezeitliche Ruinen und Fundstücke aus dem antiken Troja.

Bis kurz vor seinem Tod glaubte Schliemann auch den sogenannten "Schatz des Priamos" gefunden zu haben: Ein Fund von rund 8.000 Gegenständen, der aber später in die Zeit 1.000 Jahre vor dem Trojanischen Kriege datiert wurde. Schliemann schenkte den Fund 1881 „dem Deutschen Volke zu ewigem Besitze und ungetrennter Aufbewahrung in der Reichshauptstadt“. Im Jahr 1945 wurden die im Völkerkundemuseum in Berlin aufbewahrten Fundstücke geraubt und als Kriegsbeute in die Sowjetunion gebracht, wo sie sich bis heute befinden.

Die Fundstücke, die dem Geologischen Institut der Universität Wien 1873 durch den Geologen und Paläontologen Rudolf Hoernes (1850–1912) zum Geschenk gemacht wurden, stammen aus einer der drei Ausgrabungen, die in Hisarlık bis 1873 stattgefunden haben. Sie wurden als Teil eines Konvoluts von Gesteinen, Fossilien und archäologischen Funden – das insgesamt 118 Nummern umfasst – übergeben.

Rudolf Hoernes studierte an der Universität Wien Paläontologie unter Melchior Neumayr (1845–1890) und Geologie unter Eduard Suess (1831–1914). 1873 trat Hoernes als Praktikant in die k. k. Geologische Reichsanstalt ein. Im selben Jahr begleitete er den deutschen Archäologen und Begründer der Klassischen Archäologie an der Universität Wien Alexander Conze (1831–1914), den österreichischen Architekten, Denkmalpfleger und Archäologen Alois Hauser (1841–1896) und den deutsch-österreichischen Architekten und Archäologen Georg Niemann (1841–1912) auf eine archäologische Expedition zur ägäischen Insel Samothraki. Am Festland, unweit der Insel, fanden die Ausgrabungen Schliemanns statt, die von den Expeditionsteilnehmern kurz besucht wurden. Es liegt nahe, dass Hoernes so in den Besitz der Fundstücke kam. Hoernes erweiterte das geologische Bild der Region, welches erstmals vom deutsch-österreichischen Geologen und Naturforscher Ferdinand von Hochstetter (1829–1884) beschrieben worden war. Rudolf Hoernes beschrieb in seinen Arbeiten „Geologischer Bau der Insel Samothrake“ (1874) und „Ein Beitrag zur Kenntniss fossiler Binnenfaunen. Süsswasserschichten unter den sarmatischen Ablagerungen am Marmorameere“ (1876) unter anderem die Bedeutung des sarmatischen Mactrenkalkes als Baustein für die meisten Gebäude Trojas und als Fundamente der Tempel (R. Hörnes 1876, S. 11). Auch benannte er eine fossile Schnecke der Gattung Melanopsis nach der antiken Stadt: Melanopsis trojana.

Bei den beiden gezeigten Objekten handelt es sich zum einen um eine sogenannte „Tonwirtel". Diese dienten als Schwungmasse am Schaft einer Handspindel, die zum Verspinnen von Fasern verwendet wurden. Zum anderen sind Bruchstücke eines Hammers zu sehen. Die weiteren Stücke dieser Aufsammlung wurden derzeit in der Sammlung noch nicht gesichtet. Die Funde regen aber zu weiteren Nachforschungen an – besonders was die zu dieser Zeit bedeutenden Kontakte des Institutes für Geologie mit Forschern aus aller Welt betrifft.

Literatur:

HOERNES, Rudolf: Geologischer Bau der Insel Samothrake. In: Denkschriften der Akademie der Wissenschaten, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe XXXIII Bd. 2., Abt. Wien 1874, S. 1–12. Online verfügbar

HOERNES, Rudolf: Ein Beitrag zur Kenntniss fossiler Binnenfaunen. Süsswasserschichten unter den sarmatischen Ablagerungen am Marmorameere. In: Sitzungsberichte der Akademie der Woissenschaten, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe LXXIV Bd. 1., Abt. 6. Wien 1876, S. 7–35. Online verfügbar

Text: Mag. Martin Maslo & Mag. Peter Nagl | Foto: Mag. Martin Maslo